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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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erhob sich, schlüpfte in seine Ledersandalen und schlurfte auf den Abtritt. Wenn es wenigstens warm und angenehm gewesen wäre in diesem Kloster. Aber nein, diese ungewöhnliche Sommerkälte schlich durch die Gänge wie ein Unhold und griff mitKrallenfingern nach jedem, der sich keine dicke Zudecke leisten konnte. Außerdem zog es durch die Gänge, was alles noch viel schlimmer machte.
    Auf dem Abtritt dachte er über seine Fähigkeiten nach. Ein Schreiber und Maler war er, der in jeder Stadt unterkommen konnte. Allerdings wusste er auch, wie man mit abtrünnigen Mönchen verfuhr. Wurden sie ergriffen, schnitt man ihnen die Männlichkeit ab, band sie aufs Rad und überließ sie den Raben und Krähen.
    Doch ein ähnliches Los erwartete ihn auch im Kloster. Seine Männlichkeit war hier zu nichts zu gebrauchen, und das Leben verkürzte sich ohnehin, weil er jeden Tag darauf wartete, dass seine Lunge sich entzündete.
    Er musste sich anderweitig umtun. Die Dienste eines gelehrten Schreibers und Lesers waren in einer Stadt allemal willkommen.
    Bruder Adilbert beendete sein Geschäft. Jetzt würde er hoffentlich einschlafen können. Er eilte zurück zu seiner Zelle.
    Als er um die Ecke bog und in den Gang wollte, der zu seiner Klause führte, zuckte er zusammen. Ein schabendes Geräusch ließ ihn aufhorchen. Er blieb stehen, trat ganz in das Dunkel des Ganges zurück und lauschte in die Finsternis hinein. Während er selbst in der schwärzesten Ecke verharrte, sah er aus der anderen Richtung ein Licht schwankend auf sich zukommen. Das war keineswegs unüblich, schließlich zwang dieses Wetter vor allem die älteren Mönche hinaus in den Garten oder auf den Abtritt.
    Irgendetwas an diesem Licht gefiel ihm jedoch nicht. Mönche liefen nicht in der Mitte des Gangs. Sie bewegten sich dicht an der Wand. Außerdem benutzten sie die schwachen Talglichter. Die waren billiger. Das Licht vor ihm aber war, der Größe der Flamme nach zu urteilen, eine teure Wachskerze. Außerdembewegten sich die Mitbrüder nie lautlos. Sie gingen schlurfend und murmelten Gebete, während der Unbekannte geräuschlos dahinschlich.
    Zu Bruder Adilberts Überraschung blieb die Gestalt vor seiner Zelle stehen, blickte nach links und nach rechts, als wollte er eine unliebsame Begegnung vermeiden. Schließlich stellte er die Kerze am Boden ab. Die Hand, die er dabei entblößte, schimmerte eigenartig hell im trüben Licht des Ganges und war fast so schmal wie die Hand einer Frau.
    Natürlich gab es auch in Sankt Ulrich gegenseitige Besuche von Mitbrüdern, und manche dienten nicht nur freundschaftlichen Zwecken, sondern waren Ausfluss gegenseitiger Leidenschaft. Diese Leidenschaft sei widernatürlich, pflegte Abt Heinrich zu predigen.
    Bruder Adilbert wollte schon aus dem Schatten treten und dem Mann zurufen, er solle ihn gefälligst in Frieden lassen, als er in der Hand des Wesens einen Gegenstand aufblitzen sah.
    Das Kerzenlicht enthüllte ein blankes Messer.
    Bruder Adilbert stockte der Atem, und er hätte sich durch seinen tiefen Atemzug des Erschreckens beinahe verraten. Der Mönch drückte sich noch tiefer in den Schatten der Wand. Er versuchte, so flach wie möglich zu atmen, und prüfte, ob der Dunst seines Atems im Gang zu sehen war. Tatsächlich zog die Luft aus seinen Lungen als weißer Hauch in den Gang, und er zog sich die Kutte über den Mund. Der Unbekannte sah nochmals kurz nach links und rechts, als hätte er ein Geräusch gehört. Im Schein der Kerze zeigte sich dem Mönch ein bleiches Gesicht unter der Kapuze, so als würde dort ein Toter stehen, ein Wiedergänger.
    Dann ging alles sehr schnell. Der Unbekannte riss die Tür zu Adilberts Zelle auf und stürzte hinein. Adilbert vernahm ein Geräusch, als würde Leinen zerreißen, dann einen unterdrücktenFluch. Schließlich tauchte das Wesen wieder auf und ließ den Blick suchend den Gang auf und ab wandern.
    Schließlich hob der Unbekannte rasch die Kerze auf und huschte in die Richtung davon, aus der er gekommen war. Bruder Adilbert atmete auf, als der Fremde nicht bei ihm vorbeiwollte. Natürlich ahnte er, wohin der Unbekannte floh: zum verborgenen Ausgang. Bruder Adilbert wusste auch, was das Wesen mit dem Messer in seiner Zelle gewollt hatte: ihn töten.
    Erst jetzt, als der Schatten weg war, spürte der Mönch, wie weich seine Knie waren. Er rutschte an der Wand herunter zu Boden, weil seine Beine ihn nicht mehr trugen, und blieb einfach sitzen. Er schickte ein Dankgebet an seinen

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