Fuerstin der Bettler
richtete den Tisch her, den sie für ihre Behandlungen nutzte. Spät abends hatte es geklopft, und eine verletzte Frau war zusammen mit einem Mädchen in die Turmstube gestolpert. Sie war übel zugerichtet worden, hatte Schnittwunden von einem Messer im Gesicht. Hannah würde nähen müssen.
»Ich helfe dir«, sagte Nelda bestimmt. »Du zeigst mir, was dutust. Und ich lerne es. Zwei Frauen, die die Kunst zu heilen beherrschen, sind besser als eine.«
Erstaunt drehte sich Hannah zu Nelda um. »Hast du dir das auch wirklich gut überlegt, Nelda?«, fragte sie. »Du weißt, was sie auf der Straße schon über mich reden. Und trotzdem willst du von mir lernen?«
»Ja«, sagte Nelda mit glänzenden Augen.
Hannah wandte sich wieder ihren Vorbereitungen zu und strich das Laken glatt, das sie über den Tisch gebreitet hatte. Dann brachte Nelda Kerzenständer. »Dann wollen wir gleich damit anfangen. Das Wichtigste – und das musst du dir hinter die Ohren schreiben, Mädchen – das Wichtigste ist Sauberkeit. Sie hat dich gerettet. Sie wird vielleicht auch die Frau retten, die man mir gerade bringt.«
Inzwischen hatten drei Frauen das junge Weib nach oben geleitet. Es konnte allein gehen, war aber völlig geschwächt.
»Leg dich her«, sagte Hannah voller Mitleid. Zwei tiefe Schnitte liefen über Stirn und Wangen. Die Frau blutete heftig, und sie zitterte, als würde sie frieren. Hannah kannte diesen Zustand. Ihr Mann hatte, bevor sie sich in Augsburg niedergelassen hatten, ein Jahr als Bader an einem Feldzug teilgenommen, und sie hatte ihn begleitet. Wenn Männer mit großen Schnittwunden kamen, die ihnen von einem Schwert geschlagen worden waren, zitterten sie ebenfalls wie Espenlaub. Es war dasselbe Wundzittern wie bei dieser Frau. Hannah wusste auch, dass sie schnell sein musste. Solange der Zustand anhielt, empfand die Frau kaum Schmerzen. Die setzten erst ein, wenn sie ruhig wurde, und dann konnten solche Schnittwunden zum Tod führen.
Hannah schluckte gefasst. »Wer hat das getan?«, fragte sie mit fester Stimme.
Statt der Frau antwortete das Mädchen, das höchstens vierzehn Jahre alt war und das die Verwundete begleitete.
»Ein Mann«, sagte sie leise. »Er ist zur Luderin gekommen und hat nach dem Mädchen gefragt, das immer den Mönch empfangen hat. Wir haben uns nichts dabei gedacht und ihn zu Celante geschickt. Die war gerade frei. Und dann hat er sie ... so zugerichtet«, berichtete das Mädchen stockend.
»Das hier ist Celante?« Hannah horchte auf. War das nicht das Mädchen, von dem ihr die Luderin erzählt hatte? Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, humpelte die Schwarze Liss bereits die Treppe herauf. Sie hielt die Dinge in der Hand, die Hannah jetzt benötigte: Nadel und gefetteten Zwirn.
»Haltet sie fest«, sagte sie nur leise zu den Umstehenden und begann ihr Werk.
Nach zehn Stichen war sie schweißgebadet und völlig erschöpft. Der Schweiß lief ihr den Rücken hinab, und der Stoff ihres Kleides klebte am Körper. Das Gesicht der Frau sah aus, als hätte man es aus mehreren Teilen zusammengefügt.
Die ganze Zeit über hatte Celante ihr in die Augen gesehen und keine Miene verzogen, obwohl die Stiche sicher brannten wie das Höllenfeuer. Als Hannah den letzten Faden verknotet und abgeschnitten hatte, stieß Celante nur die Luft aus den Lungen und schloss die Augen.
»Du hast Glück gehabt«, sagte Hannah.
»Glück nennst du das?«, flüsterte die junge Frau gepresst. Das Gesicht spannte sicherlich schrecklich. »Du hast keine hängende Lippe, keine schlaffen Wangen, kein schlappes Augenlid. Die Schnitte waren weniger tief, als ich gedacht habe. Sie werden verheilen.«
»... Und eine hässliche Fratze zurücklassen.« Mit einem Seufzer erschlafften ihre Glieder und ihre Gesichtszüge. Sie hatte die Besinnung verloren.
»Legt sie auf eine Pritsche und wascht sie mit kaltem Wasser ab. Schnell. Sie ist ohnmächtig geworden. Versucht sie wiederzurückzuholen. Lagert ihre Beine hoch. Das sollte ebenfalls helfen.«
Mit besorgter Miene überließ sie alles Weitere Nelda und den anderen Frauen. Jetzt erst konnte sich Hannah dem Mädchen zuwenden, das die ganze Zeit über neben ihr gestanden und mit schreckgeweiteten Augen zugesehen hatte, wie sie die Wunde gesäubert und schließlich vernäht hatte.
»Wie sah der Kerl aus, der dich gefragt hat?«
Das Mädchen blickte zu ihr hoch, dann wieder auf Hannahs Hände, die sie gerade in einer Schüssel mit Wasser wusch, in das sie
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