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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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während das Bild vor ihrem inneren Auge ablief, als würde sie es noch einmal durchleben.
    »Er kam damals direkt vom Brandplatz!«, flüsterte sie heiser und mit trockener Kehle, während sie ins Leere starrte. Rasch schilderte sie der Schwarzen Liss ihre Vision von eben, die in ihr verschollen gewesen war. »Und er hatte diesen Sack dabei ...«
    »Jetzt glaubst du, dass deine Tochter dringesteckt hat?« Die Liss brachte die Sache auf den Punkt.
    Hannah sah sie an. »Ja. Das wäre möglich. Der Sack schien sich zu bewegen. Ich habe das damals dem Flackern des Feuers zugeschrieben. Vielleicht hat sie aber nur meine Stimme gehört und gestrampelt.«
    Hannah legte den Kopf in beide Hände und versuchte, sich die Nacht in ihr Gedächtnis zurückzuholen. Sie war offenbar dem Roten begegnet und einer anderen Gestalt ebenfalls, wenn auch etwas später: Hartmut Aigen! Derselbe Aigen, der offenbarversuchte, dem Stadtpfleger ihr Grundstück abzuschwatzen und der damals mit dem Roten zusammen gewesen war.
    Sie setzte sich mit der Schwarzen Liss in eine Ecke des Turms. Ihr Schmerz war wie weggeblasen. Jetzt hatte sie wieder eine Aufgabe. Sie musste ihre Tochter finden! Sie musste Gera finden, wo immer man sie hingebracht haben mochte. Doch wenn ihre Tochter in diesem Sack gesteckt hatte, wer waren dann die Leichen?
    Gemeinsam überlegten sie, wie sie vorgehen sollten.
    »Wir pflegen einen guten Umgang mit dem Totengräber, dem alten Gisbert, Röttel. Wir werden ihn fragen. Und wenn er die Leichen gesehen hat, dann kann er uns vielleicht auch sagen, ob ein vierzehnjähriges Mädchen dabei gewesen ist.«
    Die Stimme der Schwarzen Liss beruhigte Hannah, dennoch konnte sie keine Ruhe mehr finden und lief unablässig auf und ab, bis die Liss ihr ein Zeichen gab.

    Zum frühen Morgen hin brachen sie auf. Das Klappern der Webstühle begleitete das dumpfe Humpeln der Schwarzen Liss. Dieses Konzert der Webbäume schlug einen gleichmäßigen Takt in den Morgen, sodass man seinen Schritt unwillkürlich anpasste.
    Die Beseitigung der Leiche des Roten hatten sie in die Hände der Frauen aus dem Turm gelegt. Die würden sie in den Stadtbach werfen.
    Jetzt standen sie vor dem kleinen Friedhof bei Sankt Georg, und die Schwarze Liss spähte über die Mauer, ob sie den Totengräber sehen konnte.
    Tatsächlich stand der bereits bis zur Hüfte in einem Loch und schaufelte mit bedächtigen Bewegungen Erde auf einen Haufen.
    »Lass mich reden, Röttel. Der Gisbert ist etwas eigen. Das bringt der Umgang mit den Toten mit sich.« Sie klopfte auf ihre Umhängetasche.
    Mit Hannahs Geld hatten sie einen Krug Obstbrand erstanden.
    »Ja, aber du darfst ihn nicht so betrunken machen, dass er uns nichts mehr sagen kann«, mahnte Hannah.
    Die Liss verzog das Gesicht. »Man darf ihn nicht unterschätzen. Er hat einen scharfen Verstand. Allerdings hat ihm die Natur einen bösen Streich gespielt – und mit solch einem Antlitz hat man es nicht leicht in dieser Welt.«
    Als sie den Friedhof betraten, kamen sie in eine andere Welt. Es war, als würde alle Aufgeregtheit draußen bleiben und die Zeit sich verlangsamen. Zügig schritten sie auf den Mann in dem Grabloch zu, der mürrisch, aber in stoischem Takt die Erde aus dem Loch beförderte.
    »Gisbert! So eine Überraschung.«
    Der Totengräber hielt inne, stützte sich auf seinen hölzernen Spaten und blickte auf. Seine Augen waren von roten Äderchen durchzogen, seine Nase schimmerte bläulich, und seine Oberlippe war durch eine breite Scharte gespalten. Das ganze Gesicht war zerfurcht und aufgeschwemmt. Das Sonderbarste daran war jedoch, dass es sich nach innen zu sinken schien, statt nach außen zu wachsen. So als hätte eine riesenhafte Faust ihm alle vorstehenden Gesichtsmerkmale nach innen getrieben.
    Der Speichel lief ihm über das Kinn, weil die Lippen ihn nicht im Mund halten konnten.
    »Gisbert, wir brauchen deine Hilfe«, sagte die Schwarze Liss.
    Der Angesprochene sah die Liss und Hannah an, nickte und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Er stellte keine Fragen und zeigte auch sonst keine Reaktion, dass er verstanden habe.
    Die Schwarze Liss nahm den Krug aus ihrer Tasche undstellte ihn an den Rand der Grube. Dann schlug sie mit einem Stein dagegen.
    Gisbert, der Totengräber, sah kurz hin, unterbrach seine Arbeit jedoch nicht.
    »Erinnerst du dich an die drei Toten vom Brand des Apothekerhauses?«
    Gisbert warf eine Schaufel Erde auf den Haufen am Kopfende, stützte sich dann auf seine Schaufel

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