Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
Vom Netzwerk:
fort, »mein verstorbener Mann hat mir etwas Latein beigebracht und es mit mir gesprochen. Für ihn war das Schrecknis der Unwissenden das Gespenst der Angst – eine phantasma mentis . Eine Vorstellung des Geistes. War es nun ein Gespenst?«
    »Das dachte ich anfänglich auch, Weib«, antwortete er. »Doch es gibt im Kloster einen jahrhundertealten Gang, der wohl vergessen worden war, den jedoch ein findiger Kopf wieder geöffnet hat. Kein Geheimnis, sondern eher eine Zufälligkeit. So konnte ich zweimal die Woche unbemerkt das Kloster verlassen, um Celante zu ... zu treffen, und das Wesen muss wohl auf demselben Weg ebenso unbemerkt ins Kloster gelangt sein. Was mich zu dem Schluss bringt, das dieses Gespenst ziemlich menschlich ist.«
    »Dann ist der Kerl Euch gefolgt?« Die Schwarze Liss raunzte ihre Frage in den Raum und fing sich sogleich Hannahs scharfen Blick ein.
    »Ich habe nichts von einem Kerl gesagt. Es kann ebenso gut eine Frau gewesen sein«, antwortete Bruder Adilbert ruhig.
    Die Schwarze Liss sog die Luft geräuschvoll ein. »So ein Unsinn.«
    »Was veranlasst Euch, das zu glauben?« Hannah hatte wieder das Fragen übernommen und schüttelte unmerklich den Kopf. Die Liss schwieg schuldbewusst.
    »Die schmalen Hände. Das Wesen hatte so schmale Hände«, antwortete der Mönch leise.
    Hannah fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Das war etwas, was sie noch nicht bedacht hatte. Sie hielt den Mönch für einen guten Beobachter. Allein die farbigen Finger verrieten ihr, dass er im Scriptorium kopierte. Dazu musste man neben einer gewissen Genauigkeit und einem ungeheuren Durchhaltevermögen auch eine gute Beobachtungsgabe besitzen. Wenn Bruder Adilbert glaubte, es könnte ebenso gut ein Mann gewesen sein wie eine Frau, dann konnte daran durchaus etwas Wahres sein. Aber war eine Frau zu solch einer Tat fähig?
    »Warum trachtet man Euch nach dem Leben, Bruder Adilbert? Was kann ein Mönch wie Ihr schon verbrochen haben, dass Ihr den Tod verdient? Oder ist man schon dem Tod geweiht, weil man das Gelübde der Keuschheit gebrochen hat?«
    Bruder Adilbert setzte sich nun doch auf den Stuhl, den er zuvor abgelehnt hatte. Er sah schuldbewusst in die Runde.
    »Das ist eine lange Geschichte«, begann er.
    »Erzählt sie uns, wir haben Zeit«, ermunterte Hannah ihn.
    Langsam und stockend, doch mit jedem Satz sicherer in seiner Schilderung, erzählte er von seinem Kopierauftrag, von dessen Durchführung, von dem Besuch des unheimlichen Kapuzenmanns und später des Mädchens, von dem Geheimgang, von dessen Benutzung durch ihn, von seinen Besuchen bei Celante, und schließlich endete er, wo er begonnen hatte: bei der Nacht, die ihn beinahe das Leben gekostet hätte.
    Hannah hatte ihm mit wachsender Neugier und mit immer größerer Verblüffung zugehört. Was der Mönch da erzählte, war kaum zu glauben.
    »Seid Ihr sicher, was die Lage des Hauses anbelangt, für das Ihr die Urkunde kopiert habt? Habt Ihr einen Namen? Was wisst Ihr von dem Brand? Was ...«
    Aus Hannahs Augen schossen die Tränen. Sie schluchzte hart auf, dann erstickte ihre Stimme. Doch auch ohne, dass Bruder Adilbert antworten musste, war für Hannah eindeutig: Was der Mönch da erzählt hatte, handelte vom Haus ihres Mannes, von der Apotheke in der Frauenvorstadt, vom Tod ihrer Tochter Gera, ihres Gatten Jakob und von ihrem Schicksal.
    Bruder Adilberts Augen weiteten sich, und die Schwarze Liss rührte sich nicht vom Fleck, so überrascht wirkte sie. Da stand der Mönch auf und nahm Hannah in den Arm. Er drückte sie an sich, obwohl sie sich zuerst dagegen wehrte und ihn halbherzig wegschob. Doch Bruder Adilbert hielt Hannah fest, die schluchzend an seiner Brust lag und schließlich einfach alles geschehen ließ und still vor sich hin weinte.
    »Ihr kennt das Haus?«, fragte Bruder Adilbert endlich.
    Jetzt war es an der Schwarzen Liss zu reden, denn Hannah brachte kein Wort mehr heraus. Den bittenden Blick, den sie der Liss zuwarf, nahm diese auf und erklärte dem Mönch kurz die Lage. Sie erzählte ihm, wer die Röttel wirklich war, und beschwor ihn, niemandem etwas davon zu erzählen.
    Als sie geendet hatte, war es still im Raum. Weder Hannah noch die Schwarze Liss oder die Luderin getrauten sich auch nur ein Wort zu sagen. Das Schweigen lastete auf den Gemütern der Anwesenden wie eine dunkle Decke. Niemand versuchte, diese wegzuziehen, und so brütete jeder über den eigenen Gedanken.
    Endlich durchbrach Hannah selbst die Stille. »Ihr habt

Weitere Kostenlose Bücher