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Fuerstin der Bettler

Fuerstin der Bettler

Titel: Fuerstin der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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gewaschen. Hannah schossen die Tränen ins Gesicht, als sie die Verletzungen sah. »Mein Gott, wer tut so etwas?«, murmelte sie. Sie musste sofort wieder wegsehen. Ihre Augen ertrugen es nicht.
    Die Haut des Mädchens war am Rücken und auf den Schenkeln aufgeplatzt. Striemen von Peitschenhieben liefen darüber. An den Handgelenken war die Haut wund gescheuert bis auf das Fleisch, und an einem Bein hing noch ein Stück Strick.
    Das Mädchen war eben dabei, zur Frau zu erblühen – und eine brutale, kranke Fantasie hatte den Stängel geknickt und beinahe gebrochen.
    Das Mädchen hatte einen Schnitt an der Kehle. Hannah bemerkte es am röchelnden Atem. Doch entweder war es bei Dunkelheit geschehen oder das Messer war stumpf gewesen. Der Schnitt hatte zwar den Kehlkopf verletzt, aber er hatte nicht die Ader am Hals durchtrennt.
    »Wo um alles in der Welt habt ihr sie gefunden?«, fragte Hannah tonlos, während sie sich daranmachte, die unzähligen Wunden zu versorgen. Das Mädchen stöhnte bei jeder Berührung auf.
    »Herrgott«, betete die Apothekerin, »warum hast du sie so gestraft und lässt sie dann auch noch bei Bewusstsein? Sie ist so jung, sie kann noch keine Sünde begangen haben.«
    Hannah arbeitete rasch und mit der allergrößten Vorsicht. Sie konnte zwar lindern; ob sie das Mädchen jedoch retten konnte, das stand auf einem ganz anderen Blatt. Die Besorgnis war ihr offenbar im Gesicht abzulesen, denn die Frauen um sie herum arbeiteten ebenfalls stumm und verbissen.
    »Wo habt ihr sie gefunden?«, fragte sie erneut in die Runde,während sie gleichzeitig heißes Wasser und Tücher, Salben und Pinzetten verlangte. Eine der Frauen, die ihr zur Hand gingen, begann zu reden.
    »Sie lag im Wasser. Ein Stein war um ihr linkes Bein gebunden. Aber das Wasser war an der Stelle offenbar nicht tief genug. Sie war nur bis zur Brust im Wasser. Die Schultern haben herausgeschaut. Wenn wir nicht gekommen wären ...« Sie ließ den Satz offen, doch Hannah ahnte, was sie sagen wollte. »Wir haben es gerade noch aus dem Wasser geholt und dann hierher gebracht«, ergänzte die Frau.
    »Der Fundort? Wo genau?«, zischte Hannah unruhig.
    »Unterhalb der Fischersiedlung, beim Fischertor.«
    Sie nickte. Das bestätigte ihre Vermutung. Das Bild des toten Mädchens, das die Schwarze Liss und sie bei ihrer Flucht entdeckt hatten, trat ihr vor Augen. Es hatte ähnliche Verletzungen aufgewiesen, und ihr war ebenfalls die Kehle durchgeschnitten worden.
    »Wie viele sind es jetzt? Fünf, sechs?«, fragte Hannah und fuhr sich nervös durchs Haar.
    »Zu viele jedenfalls. Eindeutig zu viele«, antwortete die Schwarze Liss und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Mit Gottes und mit deiner Hilfe wird die hier nicht zu ihnen gehören.«
    »Habt ihr irgendetwas gesehen oder gehört?«, fragte Hannah, an die vier Frauen gerichtet.
    Die Frau, deren wirrer brauner Haarschopf Hannah erst jetzt auffiel, schüttelte den Kopf.
    »Nichts und niemanden. Wir kamen von der Fischersiedlung herunter und wollten zum Stephinger Tor hinein. Da haben wir ihr Röcheln gehört. Beinahe wären wir davongerannt vor Angst, aber dann haben wir sie im Schilf gesehen.«
    Hannah wusste nicht, was sie sagen, wie sie handeln sollte. Zusehr beschäftigte sie noch der geschundene Körper vor ihr, doch sie musste etwas tun – und ein unmissverständliches Gefühl sagte ihr, dass all diese Ereignisse miteinander zusammenhingen, so wie der Mönch es angedeutet hatte.

9
    E ine Hand, die ihre Schulter berührte, weckte Hannah.
    Es brauchte einen Moment, bis sie wusste, wo sie war. Sie hatte sich nach der anstrengenden Arbeit des vergangenen Tages niedergelegt und geschlafen. Es war ein traumloser, bleierner Schlaf gewesen, wenig erholsam, und sie fühlte sich immer noch, als hätte sie wochenlang Steine oder noch schwerere Lasten geschleppt. Es war finster um sie herum. Offenbar hatte sie doch länger geruht, als sie gewollt hatte. Ihr Gefühl sagte ihr, der Morgen müsse bald anbrechen, doch es war immer noch schwarze Nacht.
    Sie wollte sich gerade aufrichten, als eine Hand sich sacht auf ihre Lippen legte. Dann flüsterte die Schwarze Liss nahe ihrem Ohr. »Komm, aber sei leise.«
    Hannah stutzte, aber sie erhob sich und folgte der Bettlerin.
    Am Fuß der Treppe angelangt, wollte sie endlich etwas fragen, doch ein Zischen hinderte sie daran. Sie schlüpften zum Tor.
    Hannah vernahm die Stimme Neldas, die offenbar die Morgenwache übernommen hatte, dann schlichen sie

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