Fuerstin der Bettler
an den Ring legen konnte, um zu klopfen, öffnete sich die Tür.
Ein stark geschminktes Gesicht sah ihnen entgegen.
»Wir haben dich erwartet«, sagte die Luderin, die eigenhändig geöffnet hatte. »Wie geht es Celante?«
Hannah zuckte nur mit den Schultern und drängte sich an der Luderin vorbei ins Innere. Es war die Schwarze Liss, die antwortete.
»Wenn sich die Wunden nicht entzünden, wird sie es einigermaßen überstehen. Eine Schönheit wird sie nicht mehr. Die Röttel hat sie geflickt wie ein Stück Tuch.«
Die Luderin sah von einer zu anderen. Dann nickte sie. »Wir haben einen unerwarteten Gast. Er kam heute Morgen zu nachtschlafender Zeit und hat das ganze Haus in Aufruhr versetzt.«
»Wer denn?«, fragte Hannah.
»Er sitzt im hinteren Zimmer. Kommt.«
Misstrauisch sahen Hannah und die Liss einander an.
Die Luderin verriegelte sorgfältig die Tür hinter ihnen. Dann folgten sie ihr in die hinteren Zimmer, die Hannah bereits von ihrem ersten Besuch her kannte.
In einer Ecke des Raumes hockte, in sich zusammengesunken wie ein Häuflein Elend, ein Mönch. Er sah kurz hoch, als die Frauen eintraten.
»Ein Mönch?«, entfuhr es Hannah. »Doch nicht etwa der Mönch?«
Jetzt war offenbar die Neugier des Mönchs geweckt. »Wie meint Ihr das?«
Der Mönch stand umständlich auf. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, und unter der Nase und auf den Wangen sprossen Bartstoppeln. Seine Gestalt wirkte gebeugt, so als wäre er geschlagen worden, und er musterte die beiden Frauen etwas ängstlich.
Hannahs Blick blieb an den von Tinte bunten Fingerspitzen des Mannes hängen. Dies und die ängstlichen Augen des Mannes milderten ein wenig den Groll, den sie wegen Celante gegen ihn hegte. Wäre der Mann kein Mönch gewesen, hätte er ihr sogar gefallen können. Seine Finger waren lang und schlank, die Hände schön gezeichnet, die Lippen hatten ein blasses, ein wenig verschämtes Rot, und das Kinn wirkte kräftiger und männlicher als der ganze Mann. Er war auch keiner von diesen herausgefressenen, fetten Benediktinern, sondern schlank und gerade gewachsen.
»Ihr seid also der Grund dafür, dass man Celante so zugerichtet hat!«, begann Hannah.
Der harsche Gesprächsbeginn ließ den Kerl zusammenfahren.
»Ich ...«, erwiderte der Mönch zaghaft.
Hannah deutete auf einen Stuhl. Sie selber setzte sich lieber auf die Kline. »Erzählt, was Ihr zu sagen habt, Mönch.«
Der Mönch nickte ihr dankbar zu, blieb aber stehen. Er schloss die Augen, als müsste er erst darüber nachdenken, was oder in welcher Reihenfolge er erzählen sollte. Dann begann er, mit einem kurzen Seitenblick auf die Schwarze Liss, die ihm gegenüberstand, die Arme vor der Brust verschränkt.
»Ich konnte nicht ahnen, was für Folgen es hat, dass ich ... zu Celante ... ich meine, ihre Dienste ...«
Hannah wischte mit einer Handbewegung die Unsicherheit des Mönchs weg. »Wir wissen, wovon Ihr redet, Mönch. Fahrt fort.«
»Nennt mich Bruder Adilbert«, sagte der Mönch. »Die Luderin hat mich darüber in Kenntnis gesetzt, dass Celante gestern Abend verletzt worden ist. Von einem hellgesichtigen Unbekannten unter einer Kapuze.« Er unterbrach sich wieder und räusperte sich mehrmals. »Das Kapuzenwesen war in der Nacht noch bei mir und hat versucht, ... versucht, mich umzubringen. Ich ... ich war zu der Zeit zufällig auf dem Abtritt. Nur deshalb habe ich überlebt.«
Hannah sah den Mönch durchdringend an. »Woher wisst Ihr dann davon?«
»Ich habe das Wesen dabei beobachtet, wie es in meine Zelle geschlüpft ist und auf mein Bett eingestochen hat.« Er machte eine Pause. »Die Stiche und das zerfetzte Bettzeug habe ich natürlich erst danach entdeckt. Aber das Messer habe ich gesehen. Danach hat es sich in Luft aufgelöst. Außerdem ...«, er schluckte vernehmlich, »war dieses Wesen so weiß wie ... wie Schnee.«
Was der Mönch sagte, klang wie eine dieser Abenteuergeschichten, wie eine dieser Sagen, denen sie manchmal auf demMarkt oder bei den Buden auf dem Fronhof gelauscht hatte. Sie waren voll mit tapferen Rittern, Drachen und Zauberern, die durch Wände gehen und sogar fliegen konnten.
»So war Euer vermeintlicher Mörder ein Gespenst, eine phantasma mentis «, spöttelte sie.
Bruder Adilbert sah Hannah überrascht an. »Woher könnt Ihr Latein?«
»Ach, wisst Ihr – ein wenig Latein zu beherrschen ist keine Sache der Bildung, sondern eine des guten Gedächtnisses. Mein Mann«, Hannah zögerte kurz, dann fuhr sie
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