Full House: Liebeserklärung an die Chaosfamilie (German Edition)
der Moment, den Sie zu Ihrem Vorteil nutzen sollten.
Wie auch immer: Wenn Sie nach einiger Zeit durch geduldige Bemühungen oder chaotische Planung (kein Kondom etc.) schwanger werden, beginnt die wahre Überzeugungsarbeit. Sein Wagen muss weg (viel zu klein), die Wohnung muss weg (viel zu klein) usw.
»Na, dieses Thema hatten wir ja schon zur Genüge …«
Schlaflieder?
Funktionieren nur bedingt!
Die Sache mit dem Schlafen ist bei Kindern ein ganz großes Ding. Sie brauchen sooo viel Schlaf. Man fragt sich nur, wann sie sich den eigentlich holen. Gefühlt sind sie nämlich immer wach. Vor allem wenn sie mal schlafen sollen! Im Fernsehen läuft ein toller Film – unsere Tochter braucht noch eine Gutenachtgeschichte. Wir sitzen nach einem langen Tag bei einem Glas Wein zusammen und flirten uns endlich mal wieder an – unsere Tochter hat in die Windeln gemacht. Und Schluckauf. Und Durst.
Mir wurde immer eingeredet, Schlaflieder oder das Zählen von Schafen würden das Einschlafen beschleunigen. Bei mir persönlich hat das nie funktioniert. Das mag natürlich daran liegen, dass mir meine Mutter nie etwas vorgesungen hat, und wenn sie es getan hätte, wäre ich wohl heute noch in psychiatrischer Behandlung. Glauben Sie nicht? Dann haben Sie sie noch nie singen gehört.
Und mit Schafen hatte ich es auch noch nie so, und das hat einen Grund. Mein Bruder erzählte mir, als ich noch klein war, dass Schafsköttel wie Lakritze schmecken, was zu einem Selbstversuch mit diesen Dingern führte. Seitdem muss ich aufstoßen, wenn ich auch nur ein Stoffschaf sehe.
Lernfähig, wie ich nun mal bin, versuche ich dennoch, Clara mit Gesang zu beruhigen. Das Problem: Ich kenne keine Kinderschlaflieder, also krame ich in meiner geistigen Jukebox und stimme das einzige Lied an, dessen Text ich auswendig kenne. Keine gute Idee. Clara steht nicht auf »Rock Around the Clock«. Das mag allerdings auch an meiner fehlenden musikalischen Begabung liegen. Vielleicht ein genetischer Defekt – wenn ich an meine Mutter denke … Auf jeden Fall fängt Clara an zu schreien, und unser Hund versucht sie mit Jaulen zu begleiten. Selbst ich muss nun mit den Tränen kämpfen.
Sekunden vergehen, und meine Frau stürzt ins Kinderzimmer.
»Was machst du da? Hast du sie fallen lassen? Um Gottes willen, gib sie mir SOFORT!«
Der Hund jault, das Kind schreit, meine Frau schimpft. Das ist mir einfach seelisch und akustisch zu belastend. Wortlos verlasse ich den Raum. Jetzt brauche ich dringend Ruhe. Weit gefehlt. Bea kommt mir hinterher und spricht das aus, was ich schon befürchtet hatte.
»Auto fahren!«
Es ist tatsächlich so, unser Baby fällt sofort in einen tiefen Schlaf, wenn wir im Wagen unterwegs sind. Nichts kann es dann stören oder aufwecken. Kein Martinshorn, kein Hupen, nicht einmal die House Music meiner Frau, und die ist nun wirklich beachtlich in ihrer Monotonie und Lautstärke.
Auto fahren, eine gute Idee, denke ich und will gerade Bea meine Autoschlüssel in die Hand drücken, als mich ihr Blick trifft. Und der sagt mehr als tausend Worte …
Resigniert nehme ich mein völlig übermüdetes, quengelndes Kind auf den Arm und begebe mich zu unserem Wagen. Clara wird in ihrem Kindersitz festgeschnallt, und los geht die Fahrt. Nach circa fünf Minuten wird es dann auch wirklich still im Wagen. Hoffnungsvoll blicke ich in den Rückspiegel, aber nein, weit gefehlt, meine Tochter schläft nicht. Im Gegenteil. Mit glänzenden Augen blickt sie aus dem Fenster und bewundert die vielen bunten Lichter. Klar, wir fahren ja auch durch eine schicke Einkaufsstraße. Mir wird klar, dass Mädchen im zarten Babyalter bereits in der Lage sind, optisch shoppen zu gehen. Ein Naturphänomen, das eindeutig zu den Wundern der Evolution gezählt werden kann.
Plötzlich reißt mich ein roter Blitz aus meinen Träumen. Vor lauter In-den-Rückspiegel-Sehen habe ich eine rote Ampel überfahren. Klasse, wieder ein Blitzer, der Führerschein ist dann erst mal weg. Das bedeutet öffentliche Verkehrsmittel. Beate wird fluchen, wenn sie mich durch die Gegend chauffieren darf. Wo ich doch als Mitfahrer-Frühwarnsystem gefürchtet und gehasst werde.
An der nächsten Ampel, die gerade auf Gelb schaltet, bremse ich, noch unter Foto-Schock, zu scharf ab, mit dem Resultat, dass Clara wieder beginnt, unangenehme Geräusche von sich zu geben. Eine Mischung aus »Hunger, ich will jetzt an die Brust« und »Hoppla, ich muss mal«. Alles Probleme, die ich acht Kilometer
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