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Full House: Liebeserklärung an die Chaosfamilie (German Edition)

Full House: Liebeserklärung an die Chaosfamilie (German Edition)

Titel: Full House: Liebeserklärung an die Chaosfamilie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sky du Mont
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gemeinsam mit uns zu verbringen. Bis hierhin noch kein erwähnenswertes Drama. Wer sagt denn, dass Weihnachten ein zufriedenes, glückliches und harmonisches Fest sein muss? Zumindest bei unserer Verwandtschaft.
    Zwanzig Minuten nach ihrer Ankunft entwickelte Renate ein lebensbedrohliches Rückenleiden. Sie fragen sich, warum wir sie nicht gleich in die nächste Klinik eingeliefert haben? Nein, das wollte sie nicht; sie meinte, dass sich ihr Leiden bessern würde, wenn sie nur ein wenig liegen könnte.
    Es dauerte nicht lange, bis ich erkannte, was für ein Ansinnen hinter ihrem plötzlichen Leiden steckte: Renate war im Begriff, von unserem Schlafzimmer Besitz zu ergreifen.
    »Aber Mama, wir haben doch extra für euch das Schlafsofa gekauft. Ihr fandet es superbequem und …«
    Mit einer ungeduldigen Handbewegung wischte Renate den Einspruch Beates beiseite und meinte lapidar: »Auch Maria und Josef mussten in einem Stall übernachten, und du willst mich in irgendeine schreckliche, unpersönliche Klinik abschieben?«
    Innerlich nickte ich vehement zu diesem Vorschlag, was Beate geahnt haben muss, denn sie sah mich warnend an: »Gut, aber Papa schläft dann auch bei dir, und wir ziehen auf das Doppelsofa.«
    So viel zur demokratischen Mitbestimmung in unserer Ehe. Bereits am nächsten Morgen hatte sich Renates Rückenleiden auf mich übertragen, wobei ich davon ausgehe, dass das eher vom Doppelsofa herrührte. Als mir dann schlagartig klar wurde, wo wir den Heiligen Abend verbringen würden, kündigte sich, zusätzlich zu den Rückenschmerzen, auch noch eine mittlere Depression bei mir an.
    Der Heilige Abend würde in unserem Schlafzimmer stattfinden, so viel stand fest. Noch heute bin ich der festen Überzeugung, dass der Grund unser neuer, großer und sehr teurer 3D-Fernseher war, der in besagtem Schlafzimmer an der Wand hing. Dazu sei noch erwähnt, dass Renate neben anderen Eigenschaften, die sie so liebenswert machen, ein TV-Junkie ist.
    Nun überschlugen sich die Ereignisse. Der fast zwei Meter große Weihnachtsbaum, den ich erst am Vortag mühsam nach Hause geschleppt hatte, passte Renates Meinung nach nicht mehr ins Schlafzimmer. Es musste ein kleineres Modell her, eines, das in die Ecke passte und ihr den Blick auf den Fernseher nicht verstellte. Für die Geschenke, die wir üblicherweise unter dem Baum drapierten, war nun ebenfalls kein Platz mehr, kein Wunder bei der lichten Höhe des neuen Christbaumes von 30 Zentimetern. Selbst für zusätzliche Sitzgelegenheiten war kein Raum mehr vorhanden. Als daraufhin ein Funke des Widerspruchs in mir erwachte, wurde dieser von Renate sofort im Keim erstickt mit den Worten: »Und? Ihr könnt doch auf dem Bodensitzen. Ist doch kuschlig, wenn ihr ein paar Kissen nehmt! Sei doch nicht immer so schwierig, Benjamin Richter!« Sie sprach mich immer auch mit Familiennamen an. Wahrscheinlich wollte sie damit ihrer Verachtung Ausdruck geben.
    Schließen Sie nun bitte kurz die Augen und vergegenwärtigen Sie sich folgendes Bild: ein Schlafzimmer. Im Bett liegt eine mit Glühwein abgefüllte ältere Dame, deren größtes Vergnügen es unter anderem ist, ihren Schwiegersohn zu demütigen und Weihnachtslieder zu grölen, und das genau in dieser Reihenfolge. Daneben ihr Mann im dunkelblauen Anzug und mit Hausschlappen. Auf dem Boden Beate, die Clara in den Armen hält, unser Westie, der gerade das vom Esstisch stibitzte letzte Stück Stollen herunterschlingt – und meine Wenigkeit.
    Plötzlich begriff ich, was die Wissenschaftler unter »Fluchtreflex« verstehen, und hatte spontan Verständnis für manche Menschen, die das Haus verlassen, um Zigaretten zu holen, und für immer verschwinden. Leider rauche ich nicht, also blieb mir diese Möglichkeit verschlossen.

    Nichtsdestotrotz, es wurde dann doch noch ein schöner Heiliger Abend, was aber allein an den strahlenden Augen unserer kleinen Tochter lag. Allerdings bin ich mir bis heute nicht sicher, ob es nur an den Kerzen auf dem Weihnachtszwergbaum lag. Möglicherweise lag es auch an Renate, die schluchzend in unserem Bett lag und versuchte, die Wiener Sängerknaben zu begleiten, die im TV gerade Stille Nacht intonierten. Egal, unsere Tochter war glücklich, Renate mit Glühwein abgefüllt, und der Rest der Familie hockte auf dem Fußboden und sehnte das Ende dieses sehr speziellen Weihnachtsfestes herbei.
    Nun hätte ich fast die Bescherung vergessen. Na ja, die war, wie die meisten in den meisten Familien sind … Man bekommt

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