Full House: Liebeserklärung an die Chaosfamilie (German Edition)
Ryan, wir haben doch gar kein Wohnmobil.«
Nachdem die Heul- und Schreiattacke abgeflaut ist, stellt sich heraus, dass Leos Großeltern in Günzburg leben und er nur den Nachbarsjungen mitgenommen hat. Von Günzburg ist das Lego-Land nur ein paar Kilometer entfernt. Aber bringen Sie einem Fünfjährigen mal den Unterschied zwischen Günzburg und Hamburg bei.
Immerhin, ich kann den Jungen zu einem Kinobesuchüberreden. Er darf auch seine Freunde mitnehmen. Man darf nämlich immer so viele Freunde einladen, wie man Jahre alt wird, habe ich mal gehört. Idiotischer Gedanke. Stellen Sie sich vor, Jopie Heesters wäre an seinem Geburtstag mit einhundertacht Freunden aufgeschlagen, das Kino wäre voll gewesen!
Kino, das klingt eigentlich ganz entspannt. Ist es aber nicht. Denn zuerst muss man sich mal auf einen Film einigen. Man möchte meinen, dass das mit einem Fünfjährigen nicht allzu schwierig ist. Aber erklären Sie mal einem Dreikäsehoch, warum gewisse Filme erst ab, sagen wir mal, sechzehn Jahren »freigegeben« sind. Von denen ab achtzehn will ich ja gar nicht sprechen. Ich war, ehrlich gesagt, auch überrascht, dass »Das Kettensägen-Massaker« für meinen Sohn so interessant klang. Oder »Graf Orgas muss mal wieder«.
Nach tagelangen Diskussionen schließlich die Einigung: Wir gehen in den neuen »Otto«-Film. Und er darf fünf Freunde mitnehmen. Und seine beiden Cousins. Clever, wie er ist, hat er die beiden Cousins nicht als »Freunde« bezeichnet. »Ich kann doch nicht einfach meine Cousins nicht mitnehmen. Die gehören schließlich zur Familie.« Schon erstaunlich, was Fünfjährige so draufhaben, wenn’s drauf ankommt.
Also: VW-Bus von den Nachbarn geborgt und dann mit einer Horde Wildgewordener zu Ottos neuem Machwerk. Geht natürlich nicht ohne eine Tonne Popcorn, wobei es höchstens drei Tüten bis ins Kino schaffen. Der Rest landet auf dem Teppich. Als Getränk wird einstimmig Cola gewünscht.
»Cola? Ihr seid doch noch nicht mal in der Schule.«
»Aber ich darf zu Hause immer Cola trinken!«
»Wenn der Tobi Cola bekommt, will ich auch Cola haben.«
»Hey, das ist unfair. Wenn, dann muss es Cola für alle geben.«
»Ich glaube, dass Tobi heute ganz gut auch mal ohne Cola …«
»Uuuuuuhuhuhu …«
»Schon gut. Cola für alle.«
»Jaaaaaaaaaa!!!«
»Dein Papa ist wirklich endgeil, Ryan.«
Finden die anderen Eltern später übrigens nicht.
»Was, Sie haben den Kindern Cola zu trinken gegeben?«
»Nicht direkt Cola. Das heißt, doch, Cola war es schon, aber zu trinken geben wollte ich es eigentlich nicht. Sie haben mich … erpresst«, versuche ich kleinlaut zu erklären. Aber erklären Sie so einer militanten Veganer-Mama mal, dass ihr süßer Kleiner die reinste Bestie ist, wenn man ihn erst einmal von der Leine gelassen hat.
Im Kino scheint es einen Mechanismus zu geben, der dazu führt, dass in dem Maße, in dem das Licht runtergeht, die Lautstärke hochgeht. Und damit meine ich nicht den Ton aus den Lautsprechern, sondern den aus den Kindern. Zeitweise war ich nicht sicher, ob Ottos neuer Film nicht ein Stummfilm ist, weil man so gar nichts außer Kindergeschrei gehört hat. Aber dann wurde es irgendwann doch still. Das war ausgerechnet, als ein paar richtige Zoten auf der Leinwand gerissen wurden.
»Du, Onkel Benni, was meint der mit ›in der Hose jodelt’s‹?«
»Ach, das ist nur so eine Redensart. Damit meint er, dass seine Hose singen kann.«
»Echt? Kannst du es auch in deiner Hose jodeln lassen?«
Überspringen wir das, und widmen wir uns den weitaus zivilisierteren Zu-Hause-Kindergeburtstagen, die wir natürlich auch immer mal wieder feiern. Schöne Sache: Beate backt einen kleinen Kuchen, den wir noch spät am Abend liebevoll mit Smarties und anderem Zuckerzeug verzieren. Dann noch die Deko: Luftschlangen, Luftballons und der ganze Zirkus eben. Wunderbar. Und am nächsten Morgen: leuchtende Kinderaugen. Leuchtend? Ich fürchte, sie sind feucht. »Habt ihr etwa meine Luftballons alle aufgepustet?«
»Wir haben das Haus für dich schön geschmückt, Clara. Weil du doch Geburtstag hast. Um dir eine Freude zu machen.«
Nach Freude sieht sie allerdings nicht aus. »Aber ich wollte die Luftballons doch selber aufpusten. Außerdem sind Luftballons was für Babys!«
Wenigstens haben wir uns bei den Geschenken nicht lumpen lassen. Alles, was auf ihrer Wunschliste stand, findet sich auf dem Gabentisch. Wenn auch in den falschen Farben. Und in den falschen Ausgaben. Und zu
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