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Fummelbunker

Fummelbunker

Titel: Fummelbunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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Hauptstraße oder rissen alternativ toten Gänsen die geölten Hälse ab. Corinna lebte hier mit ihren Eltern in der ›Alte Post‹, einer kreiselähnlichen Zufahrt gegenüber der Eisdiele ›Adria‹, einer Eisbude mit eigener Fangemeinde im ›studiVZ‹. Aufgrund seiner äußeren Lage fährt man durch Höntrop selten einfach nur durch. Wer nach Höntrop fährt, hat ein Ziel. So auch Yusuf Tozduman und seine Chauffeuse. Denn die kamen noch auf der Höntroper Straße zum Stehen.
    Ich hielt auf der anderen Seite und blickte über die Straße hinweg auf einen rund geputzten kürbisfarbenen Bau mit schiefergrauen Dächern, welche sich wie Pilzhüte über die Fassaden mümmelten. Junge Bäume wucherten entlang der Pflasterwege, Fahrräder versteckten sich zwischen den Hecken vor dem Eingang.
    »Die Waldorfschule«, sagte Corinna und setzte sich auf. »Denkst du bei dem Anblick nicht auch an Schlümpfe?«
    »Warum steigen die nicht aus?«, fragte ich zurück.
    Sie sah auf die Uhr. »Gleich ist Schulschluss.«
    »Ob die jemanden abholen?«
    Corinna erwiderte nichts, sondern zuckte lustlos mit den Schultern. Ihre Augen wurden von den Lidern gequert, ihre Mundwinkel ragten gen Süden.
    »Was ist los?«
    »Mir ist schlecht.«
    Ich stupste sie an. »Kau auf dem Ingwer. Der hilft.«
    Sie schüttelte vorsichtig den Kopf. »Ich glaub, mir ist von dem Ingwer schlecht.«
    Sie warf die Wurzel aus dem Fenster. Dann schrillte die Schulglocke und die ersten Schüler stoben aus dem Gebäude. Corinna griff nach dem Türöffner. »Mach du allein weiter. Ich geh nach Hause.«
    Sie beugte sich vor und ihr Blick huschte über den vermeintlichen Schulhof, der mehr ein Parkplatz für Fahrräder war. Sie stieg nicht aus, sondern glotzte.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Den kenne ich doch.« Sie zeigte auf einen Türken, der mit anderen Schülern durch die nussbraune Flügeltür der Schule marschierte. Ein relativ großer Junge mit kurzem gegeltem Haar, zu einem Mittelscheitel gekämmt, das in der Sonne glänzte. Sein Rucksack baumelte wie totes Getier von seiner Schulter herab. Er trug ein hellblaues T-Shirt und eine sandfarbene Cargohose mit Taschen, die mehr Platz hatten als meine Nachttischschublade.
    »Wer ist das?«, fragte ich.
    »Tarek.«
    Ich sah sie an.
    »Metins Zweitältester«, erklärte sie weiter.
    »Das ist Metins Sohn?«
    Sie nickte.
    »Metin schickt seinen Sohn auf eine Waldorfschule?« Vor Erstaunen stand mir der Mund offen.
    »Die Schule ist schweineteuer.«
    »Wieso? Haben die so eine Art islamischen Unterricht?«
    Verdutzt musterte sie mich. »Du hast aber auch von nichts eine Ahnung, was?«
    Tarek Tozduman ging ein paar Meter die Straße in Richtung Parkplatz hinunter und blieb vor einem silberfarbenen Motorroller stehen, auf dem eine karge Gestalt mit eng gezwirbelten Locken saß. Es war für mich nicht auszumachen, ob es Männlein oder Weiblein war, da sie unter der flatterigen Sportjacke und der weiten Hose kaum Konturen hatte. Tarek ließ seinen Kopf zur Begrüßung hin und her wackeln, seine Haare flogen auf und er nahm den bereitgelegten Helm von der Rückbank. Zeitgleich stülpten sie sich die Helme über die Köpfe, Tarek schwang ein Bein über die Rückbank und der Fahrer ließ die Zündung an. Als er den Gashahn aufdrehte und das Gefährt den Bürgersteig hinunterknatterte, setzte sich der Corsa in Bewegung.
    »Na toll«, sagte ich und legte den Gang ein. »Tarek wird von jemandem verfolgt, der von jemandem verfolgt wird.«
    Wir schlichen hinter dem Corsa über die Kreuzung zum Wattenscheider Hellweg hinweg und auf die Westenfelder Straße. Während sich der Roller brüllend die Route entlangmühte, glitt ich im Leerlauf dem Tross hinterher. Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir entdeckt werden würden.
    Wir fuhren unter die A-40-Überführung hindurch und das Echo des Rollermotors schlug monoton gegen das Gemäuer. Dann verlor das Gefährt an Fahrt.
    »Ich weiß, wo es hingeht«, sagte Corinna und rieb sich die blassen Augenlider.
    Der Roller fuhr in die Graf-Adolf-Straße.
    »Das gelbe Haus auf der linken Seite«, kündigte Corinna an.
    Und tatsächlich schwenkte der Roller vor dem sonnengelben Haus auf den Bürgersteig. Der Corsa fuhr langsamer, hielt aber nicht an. Offensichtlich suchte die Chauffeurin eine günstige Parkmöglichkeit.
    »Fahr weiter«, befahl Corinna.
    »Wieso? Was ist dort?«
    »Metins Haus«, gab sie nur knapp Auskunft und ich wäre beinahe in die Eisen gegangen.
    »Da wohnt Metin?«
    Sie

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