Fummelbunker
nickte schwach und ich dirigierte die Nase meines Twingos in eine Hauseinfahrt.
»Was machst du?«
»Ich fahre zurück.«
»Warum?«
Ich sah sie an. »Weil Opi Tozduman da immer noch wartet. Das muss einen Grund haben.«
Corinna verdrehte die Augen, was ihr offenbar nicht gut bekam. Sie fasste sich an die Stirn. »Mir ist schlecht. Ich brauche meine Pflaster.«
Ich fuhr die Straße wieder hinunter. »Nein.«
»Doch!«, fuhr sie mich an und begann, das Ablagefach zu durchwühlen. Mein Feldstecher sauste hinunter in den Fußraum.
»Du hast doch bestimmt noch welche hier, oder?«
Ihre Finger popelten sich durch das raschelnde Papier. Dann warf sie den ganzen Kram auf den Boden. Ich war in irgendeiner Hauseinfahrt zum Stehen gekommen. Zwar waren wir weit genug weg, um von Opa Tozduman nicht erkannt zu werden, aber immer noch nah genug dran, um Aufsehen zu erregen.
»Hör auf, mein Auto zu verwüsten. Ich habe nichts hier.«
Corinna fletschte die Zähne. Das Papier auf dem Boden ließ sie einfach liegen. Sie drückte die Beifahrertür auf.
»Was machst du?«
»Ich gehe zur Arbeit. Mit dieser Familie bin ich fertig.« Sie knallte die Beifahrertür zu.
Ich rief ihr durch das offene Seitenfenster nach: »Warum bist du dann überhaupt mitgekommen?«
Aber sie ging einfach weiter und ließ mich ein wenig konsterniert zurück. Ich drückte meinen Rücken in den Sitz und überlegte, ob es nicht klüger wäre, einfach zu verschwinden, als der Corsa plötzlich Fersengeld gab und an mir vorbeischoss. Sofort richtete ich mich auf, drehte den Zündschlüssel um und beobachtete im Innenspiegel, wie die lilafarbene Karre einige Häuser weiter in einer Einfahrt wendete. Ich studierte die Uhr und es war für mich klar, dass der Corsa direkten Kurs auf die Alleestraße nehmen würde. Daher sah ich davon ab, den beiden noch einmal zu folgen und fuhr in die andere Richtung auf die Autobahn mit Kurs auf Hamme.
5.
Gegen acht Uhr abends hielt ich das Versprechen, das ich mir selbst gegeben hatte und machte im Lütgen-Casino einen hohen Bogen um Tisch vier. Stattdessen steuerte ich ohne Umschweife auf die Wechselkasse zu. Der Rauschbart trug die bessere Version eines Flanellhemdes und blinzelte mich mit hellen Murmelaugen an.
»Ich möchte gerne mit jemandem sprechen, der für die Schuldverschreibungen der Gäste zuständig ist.«
Der Kassenwart schluckte ausgelassen. Seine Lider flatterten. »Das macht Herr Dübel.« Prompt setzte er seine Füße auf und gab dem Steinboden einen Tritt. Der Drehstuhl rollte eine halbe Raumlänge ins andere Eck und der Mann drehte mir den Rücken zu, als er den Telefonhörer aufnahm. In der Zwischenzeit fiel mir auf, dass das weiße Haar des Mannes ausgesprochen dicht und voll war. Dann drehte er sich um und senkte kurz sein Kinn, als er mich sah. Ich nickte ihm zu, doch er hatte sich bereits dem Kunden hinter mir zugewandt. Dies sollte wohl bedeuten, dass ich auf Herrn Dübel zu warten hatte. Ich tat einen Schritt zur Seite und starrte in die Menge. Eine Gruppe junger Leute knapp unter 20 warf ihre Oberkörper wie nasse Handtücher über die Brüstung der Wendeltreppe und verfolgte mit geiferndem Kichern das Geschehen unter ihnen.
»Meine Dame?«
Ich drehte mich um und stand einem gefällten, gehobelten und Mensch gewordenen Baum gegenüber. Sein Körper war eckig, seine Schultern ausgesprochen waagerecht auseinandergefaltet. Auf seinem rechteckigen Kopf war ein platinblonder Teppich ausgelegt, der keine drei Millimeter hoch wucherte. Seine Lippen waren ausufernd und bildeten einen wulstigen Kontrast zu der markigen Gestalt, die aus schwarzen Augen zu mir herunter sah. Ich war 1,84. Und dieser Mann überragte mich um eine halbe Kopflänge.
»Mein Name ist Hans Dübel. Buchhaltung.«
Na toll. Der blonde Hans, dachte ich sofort und verkniff mir die Frage, ob sein Nachname ein Kunstgriff war; so wie Bobby der Hammer oder Mickey der Todmacher. Doch zugegebenermaßen hätten in diesem Fall zahlreiche andere Namen wesentlich besser gepasst: Hans Vorschlaghammer oder Hans Schlagbohrer – wenn es denn unbedingt ein Werkzeug sein musste.
»Mein Name ist …« Ich zögerte. Erst wollte ich sagen, ich sei Esther Bäcker, die Schwester von Boris. Doch rechtzeitig wurde ich mir wieder der Sicherheitsschleuse bewusst, die ich unter Vorlage des Personalausweises passiert hatte. Er hätte keine Mühe, meinen Namen herauszufinden. Und unsere Beziehung stünde unter keinem guten Stern, fände Hans
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