Fummelbunker
und glotzte auf meine Zehen. Ich stellte fest, dass die Nägel dringend geschnitten werden mussten. Und ich stellte fest, dass es zwei Erklärungen für Bäckers Jagd nach roten Zahlen gab. Entweder hatte er sich wirklich und unabsichtlich in die Pleite getrieben. Oder er war an etwas Größerem dran, wofür sich die Geldverschwendung lohnte.
Zehn Minuten später schaltete ich den Fernseher aus und ging ins Bad. Der Schaum quoll über den Badewannenrand und ich musste in den Bläschen wühlen, um den Wasserhahn zu finden. Gemächlich versackte ich in dem heißen Wasser und spürte die Vibrationen der griechischen Bässe, die durch die untere Etage hindurch bis gegen meinen Badewannenboden wummerten. Der Badeschaum knisterte wie Wunderkerzen in meinen Ohren und zerplatzte funkelnd über meinen Augen.
Ich musste dringend herausfinden, wie hoch Bäckers Schulden wirklich waren. Vielleicht wollte sich der Glatzkopf nur wichtig machen und mit genau den Anekdoten prahlen, die ich hören wollte. Denn was ich hören wollte, war offensichtlich. Dabei konnte ich nicht einmal sicher sein, dass er Bäcker tatsächlich gesehen hatte.
Ich wusch mir den Schaum aus dem Gesicht und entschied, diesen angeblichen Schulden auf den Grund zu gehen. Ein kleiner Plausch mit dem Glatzkopf dürfte allemal noch drin sein. Vielleicht wäre es sinnvoll, ein Gespräch mit der Buchhaltung des Casinos darüber zu führen, was es mit diesen Schuldscheinen auf sich hatte. Mit Glück würde ich die Leute sogar dazu bringen, Tacheles zu reden und mir die konkrete Summe zu nennen.
Krebsrot und mit angeschwollenen Adern kletterte ich aus der Wanne und wickelte mich in mein Handtuch. Auf halbem Wege zum Schlafzimmer fiel mir mein morgiges Observationsprogramm für kurz vor halb drei ein. Der Gedanke an Yusuf und seine phobische Ehefrau war nicht erbaulich.
Bässe brummten unter meinen Zehen, ich warf das Handtuch in den Flur und legte mich ins Bett. Die Decke war kühl und roch nach luftgetrockneten Tennissocken. Morgen würde ich das letzte Mal dem alten Tozduman auflauern. Danach konnte ich mich voll und ganz der anderen, wesentlich interessanteren Aufgabe widmen.
Um acht Uhr morgens war mein Kopf matschig und es fühlte sich an, als wären mir die mit Folklore besohlten Makedonier aus dem Erdgeschoss höchstpersönlich über Nacht aufs Dach gestiegen. Außerdem war ich schweißgebadet. Ich hatte einen Traum von Mama Tozduman in einem Sarg, der von Trauergästen umschwirrt wurde wie ein Hundehaufen von einem Schwarm schwarzer Fliegen. Doch Mama Tozduman war nicht tot und ich stand direkt vor ihrem Sarg, als sie ihren wohlbeleibten Oberkörper nach vorn wuchtete. Ich wich zurück, doch ich war nicht schnell genug und sie umklammerte meinen Arm, winselnd, ich solle nicht weggehen und irgendjemand möge ihre Grabstelle noch weiter ausgraben, damit ich meinen Platz an ihrer Seite einnehmen konnte.
Bis in alle Ewigkeit.
Ich schüttelte mich. Was für ein Albtraum.
Nachdem ich mir im Bad kurz den Schweiß abgeduscht hatte, stellte ich fest, dass mich im Kleiderschrank eine gähnende Leere erwartete. Ich zog eine verhältnismäßig saubere Jeanshose aus dem Wäscheberg, der sich zwischen Bad und Kleiderschrank kniehoch türmte, und hob mein weißes ›Rettet Opel!‹-T-Shirt vom Schrankboden auf, denn ich hatte Lust auf Solidarität.
Anschließend rief ich Olaf im Büro an.
»Hast du schon was Neues?«, fragte er sofort.
»Wie oft warst du insgesamt mit Boris im Casino?«
»Drei Mal. Die drei letzten Sonntage.«
»Wusstest du, dass er Schulden hatte?«
Er zögerte. »Viel gewonnen haben wir an diesen Sonntagen beide nicht.«
»Mit welchen Summen ist er an den Tisch gegangen?«, hakte ich weiter nach.
»Mit nicht viel mehr Geld als ich, höchstens 100 Euro.«
»Und er hat sich keinen Nachschlag am Geldautomaten geholt?«
»Nein. Warum fragst du das alles?« Mein Bruder klang ein wenig gereizt.
»Ich habe den Verdacht, dass sich Boris überschuldet hat.«
»Meinst du, er hat sich deswegen aus dem Staub gemacht?«
Daran hatte ich noch nicht gedacht. »Nein«, sagte ich nur.
»Hör zu«, fing er an. »Boris wollte Misshandlungen an Schuldnern recherchieren. Warum also nicht absichtlich einen auf verschuldeten Zocker machen?« Er klang beinahe überzeugt davon.
»Um sich verprügeln und rauswerfen zu lassen?«, fragte ich.
Es herrschte eine kleine Pause.
»Na ja. Komisch wär’s schon.«
Ich hörte ihn durch den Hörer atmen, aber
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