Fummelbunker
doch immer irgendwie auf, oder?« Ich spendierte ihm ein zaghaftes Lächeln und er verzog die Unterlippe.
»Wie er so drauf war?«, wiederholte er. »Er hat es oft vergeigt.«
»Sie meinen, er hat Geld verloren?«
»Aber hallo.« Er neigte seinen Kopf. »Wer sind Sie eigentlich?«
»Ich bin eine Bekannte«, kam es wie aus der Pistole geschossen. Ich wurde leiser. »Denken Sie, er hat Schulden gemacht?«
Der Typ runzelte die Stirn. Dabei ragten die Falten bis oben in seine Glatze hinein. »Was ich denke?«, plapperte er wieder nach. »Ihr Bekannter war nicht ganz richtig im Kopf, das denke ich.«
»Wie meinen Sie das?«
»Hat sich Nachschlag von der Bank geben lassen. Schuldscheine! So was macht man nicht.«
»Warum nicht?«
Er sah mich an, als hätte ich ebenfalls nicht mehr alle Tassen im Schrank.
»Also gut«, sagte er mit einem Seufzen. »Was ist los mit Ihrem Bekannten? Ist er weg?«
Ich nickte. »Woher wissen Sie das?«
Er lachte so laut auf, dass sich ein paar Köpfe zu uns umdrehten. Einschließlich der von Fräulein Vu.
»Weil Sie mit mir reden, einem Fremden. Und nicht mit ihm.«
Seine Lider gingen auf Halbmast und ein Schatten fiel über seine Augen, als er sich abwandte. Er wusste mehr, als er zugab.
»Können wir uns nicht woanders darüber unterhalten?«, fragte ich ihn.
Er schüttelte vehement den Kopf und legte einen Jeton auf das Tableau. »Ich bin zum Spielen hier, große Lady. Ich gehe nirgendwo hin.«
Sein Rücken wurde steif und die Kiefermuskeln bäumten sich auf. Kein Zweifel, dass er es ernst meinte. Zudem warf mir Fräulein Vu inzwischen derart befremdliche Blicke zu, dass ich es vorzog, lieber die Biege zu machen, als mir Hausverbot erteilen und sämtliche Ermittlungschancen versauen zu lassen. Morgen Abend war Fräulein Vus letzter Schichtdienst in dieser Woche, und ich hielt es für klüger, bis dahin mit meinen Fragen am Tisch vier zu warten.
Im Adolfo’s steppte der Bär, als ich nach Hause kam. Und ich musste dafür einen Fußmarsch von einem Viertelkilometer zurücklegen, da ich für den Twingo erst auf Höhe der Seilfahrt einen Parkplatz ergattern konnte, einer Rechtsabbiegerstraße jenseits der Glückauf-Bahn-Unterführung, die mal IKEA-Bahn hieß. Noch nie habe ich die Dorstener Straße derart zugeparkt erlebt und mir kam der Gedanke, dass es an der Veranstaltung im Adolfo’s liegen musste: Vor den Toren des Restaurants stapelten sich Männer beim Zigarrenrauchen. Der Qualm ihrer Giftnudeln stieg vor ihren Nasen als wattebauschige Wolkenformation auf. Hinter ihnen tönte griechische Folklore aus dem Saal, Getöse und Gelächter. Ich schielte im Vorbeigehen hinein und sah junge Frauen in makedonischen Trachten, die ihre weiß bestrumpften Beine wie Marionettenglieder in die Luft warfen. Die perzenden Männer vor dem Laden quäkten auf Griechisch und erschienen mir mehr importiert als immigriert. Von Anastasios und Tamino, den beiden griechischen Teilhabern des Restaurants, war nichts zu sehen.
Als im Dachgeschoss die Wohnungstür hinter mir ins Schloss fiel, war das Gejohle und Gelächter aus dem Erdgeschoss gedämpft, aber nicht wesentlich leiser zu vernehmen. Es war Viertel vor zehn und die Sonne legte sich bereits hinter den Häuserreihen der Straße schlafen. Meine Füße klopften in den Schuhen und die Blutzirkulation hatte unterhalb der Kniescheiben auf Notstrom gestellt. Ich ging ins Bad, drehte den Hahn über der Badewanne auf und schüttete eine Tasse voll Schaumbadkonzentrat für unvergleichliche Pfirsichhaut ins laufende Wasser. Groggy ließ ich mich ins Sofa fallen und schaltete den Fernseher ein. Auf dem Blockbusterkanal lief eine Adaption von Shakespeares ›Romeo und Julia‹ mit Leonardo DiCaprio als überbordender Revolverheld in der Hauptrolle. Ich mochte den Film. Er ist einer der wenigen auserwählten Streifen, für die ich in den 90ern ins Kino gegangen war. Aber dieses Mal konnte ich mich nicht auf die Handlung konzentrieren.
Wozu all die Schulden Bäckers? Etwa zu Recherchezwecken? Wohl kaum. Keine Redaktion, und schon gar nicht die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, würde seinem Lokalredakteur eine Runde Schulden finanzieren, damit er sich von den Casinogorillas mit Prellungen und Drohungen versorgen lassen konnte, um eine Story zu schreiben, die sich höchstens zwei bis drei Wochen in den Tageszeitungen halten würde. So verrückt konnte selbst der durchgeknallteste Reporter nicht sein.
Ich parkte meine Fersen auf der Couchtischplatte
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