Fummelbunker
die Holzkiste unter die Nase.
»Ich möchte meine Schulden begleichen.«
Er öffnete sie und nahm einen Jeton heraus. Er hielt ihn mir hin. »Das ist ein Jeton mit goldener Prägung. Die Jetons, die gegen bar getauscht werden, sind silbern signiert. Das heißt, Sie haben die Jetons nicht gespielt.«
»Das ist richtig«, sagte ich. »Ich brauche sie nicht mehr.«
Dübels eckige Augenbrauen zogen sich zu einem einzigen Strich zusammen. »Tut mir leid. Aber Ihr Vertrag verlangt, dass Sie die Jetons spielen.«
Ungläubig schüttelte ich den Kopf und er öffnete seine Schublade, griff in ein Fach und nahm einen blanken Vertrag heraus. Mit seinem Zeigefinger deutete er auf eine klein gedruckte Stelle. Sein gelber, längsrilliger Fingernagel lenkte mich beim Lesen ab.
»Sie haben diesen Vertrag unterschrieben?«
Als ob er das nicht wüsste.
»Ja«, knirschte ich.
»Dann spielen Sie die Jetons.«
»Aber das kann doch nicht sein«, erwiderte ich. »Gibt es nicht irgendwelche anderen Lösungen?«
»Nein«, sagte er sofort.
Ich stemmte meine Hände auf den Tisch. Die Angst vor seiner baumigen Gestalt kam mir dabei völlig abhanden. »Hören Sie. Mir geht es gut. Ich habe eine Wohnung, ein geregeltes Einkommen und eine Menge Geld an Ihren Laden verloren. Ich brauche diese Schulden nicht. Und ich bin fertig mit diesem Casino!«
Dübels Pupillen weiteten sich und tasteten mein Gehirn ab. Zumindest hatte ich das Gefühl, dass sie es taten. »Frau Roloff«, fing er an. »Der Vertrag besagt, dass Sie das Darlehen ausschließlich über einen erzielten Gewinn im Lütgen-Casino begleichen können.« Sein Stirnlappen feixte mit mir. »So wie es aussieht, sind Sie also doch nicht fertig mit uns.«
»Das ist gequirlte Scheiße!«, fluchte ich.
Er schnellte hoch und Verärgerung schwellte seine Brust. »Gehen Sie jetzt.«
»Ich gehe nirgendwo hin«, widersprach ich und klappte mein Handy auf. »Nicht, bevor ich mit meinem Anwalt gesprochen habe.«
Ich wählte eine Telefonnummer. Irgendeine, wahrscheinlich in Südostasien. Weder kannte ich einen Anwalt noch jemand anderes, der mindestens ein Semester Jura studiert hatte. Eigentlich wollte ich Dübel zu einer Reaktion animieren, die in meinem Interesse war. Doch es dauerte viel zu lange; die Finger wurden feucht, die Tasten rutschig.
Endlich sagte er etwas: »Es gibt einen optionalen Ausstieg.«
Schnell klappte ich das Handy zu.
»Wir müssen uns allerdings Ihrer Zuverlässigkeit sicher sein.«
»Inwiefern?«
»Sagen wir es mal so«, fuhr er fort und setzte sich. »Stellen Sie sich vor, Sie können eine Restaurantrechnung nicht bezahlen und erklären sich bereit, dafür einige Teller zu waschen.«
»Sie meinen, Sie erwarten eine Dienstleistung?«
»Eine Option, um Ihre Schulden zugunsten des Casinos abzuarbeiten.«
Ich schürzte die Lippen. »Wie lange müsste ich diesen Job ausüben?«
Ernst runzelte er die Stirn.
»Ich meine, ich habe noch einen anderen Beruf«, fügte ich unsicher hinzu.
»Das dürfte kein Problem sein«, winkte er ab. »Hätten Sie Interesse?«
»Natürlich«, sagte ich. Mir war alles recht, damit ich das dicke Minus auf meinem Konto loswurde.
»Gut.« Er stand wieder auf und öffnete seine Hand. »Geben Sie mir als Erstes Ihr Handy.«
Dübel nahm den Telefonhörer ab und rief einen Angestellten zu sich.
»Ihr Auftrag beginnt morgen früh um fünf«, sagte er, als er auflegte. »Aus Sicherheitsgründen werden Sie diese Nacht in einem unserer Quartiere nächtigen und das Haus nicht mehr verlassen.« Er verstaute mein Handy in seiner Schublade. »Unser Dienstmädchen, Fräulein Santos, wird Sie für Ihre morgige Aufgabe einkleiden.«
Ich starrte ihn an. Aus Sicherheitsgründen? Einkleiden?
Die Tür öffnete sich und ein Kerl vom Typ Türsteher trat ein. Auf seinem Kopf wucherte steif gezwirbeltes Schnittlauchhaar, seine Ärmel schienen aufgeblasen, zwischen den Knopflöchern spannte das Hemd.
»Ich möchte Sie bitten, meinem Mitarbeiter in Ihr Zimmer zu folgen. Und ich rate Ihnen, sofort schlafen zu gehen. Sie sollten morgen wach und munter sein.«
Wach und munter. Dass ich nicht lachte.
»Sie werden morgen früh für Ihre Aufgabe instruiert.«
Schnittlauch-King-Kong griff mir grob unter die Achselhöhle und führte mich ab. Wir nahmen eine Abkürzung durch eine Hintertür und mieden den Spielsaal. Spätestens jetzt wusste ich, dass ich knietief in der Scheiße stand.
Wir durchquerten einen weißen Flur mit Spotbeleuchtung unter
Weitere Kostenlose Bücher