Fummelbunker
der Decke und mein Wachmann sah netterweise davon ab, mir weiterhin das Blut im Oberarm abzuquetschen, weil er auf den Fahrstuhlknopf drücken musste. Die Stahltüren des Fahrstuhls waren lupenrein poliert und unsere Gestalten spiegelten sich unförmig in ihnen wider. Dann öffneten sie sich mit einem Gong und wir fuhren in die dritte Etage; dem Penthouse.
Hinter der Aufzugtür war der Boden mit einem schwarzen Veloursteppich ausgelegt. Meine Absätze versanken darin und ich strauchelte. Kräuter-King-Kong wies mich mit grunzenden Lauten an, vor der Zimmertür mit der Nummer drei zu warten und ließ mich nicht aus den Augen, während er die Schlüsselkarte durch den Leser zog. Ich ging voraus. Es war ein Zimmer im klassischen Hotelflair: Das Doppelbett mit weißen Bezügen beherrschte den Raum, markant in Szene gesetzt durch eine punktuelle Beleuchtung über dem Kopfteil. Mit einem schmalen Durchgang abgesetzt, befand sich das reinweiße Bad zu meiner Linken. Dicke rote Vorhänge versperrten die Aussicht auf den Parkplatz.
Plötzlich huschte eine dickliche Frau mit kurz geschnittenem schwarzem Haar durch die Tür an uns vorbei und öffnete die schmale Garderobentür unmittelbar vor mir. Sie trug die für das Casino typische Arbeitskleidung: Weiße Bluse, dunkelrote Weste sowie eine ausladende Fliege unter dem Kinn. Ihre kräftigen Beine waren schwarz bestrumpft, der Rock mit Kellnerschürze reichte ihr bis zu den Knien. Routiniert klassifizierte sie meine Statur und durchsuchte anschließend den Schrank, wofür sie sich auf die Zehenspitzen stellen musste.
»Das ist was in Ihrer Größe«, sagte sie mit einem spanischen Akzent. »Alles ungetragen. Lassen Sie Ihre Sachen einfach da liegen.« Sie zeigte auf den Stuhl. »Die bekommen Sie wieder.« Damit schloss sie die Garderobentür und ging auf direktem Wege wieder aus dem Zimmer.
»Ich nehme an, das war Frau Santos«, bemerkte ich zu meinem Begleiter, der meine Bemerkung allerdings völlig ignorierte und sich stattdessen mit einem Nicken ebenfalls aus dem Raum verdünnisierte. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, drückte ich rein intuitiv die Klinke, doch die Tür ließ sich nicht mehr öffnen; sie war von außen verriegelt. Ich sah mich um. Neben dem Garderobenschrank und dem Bett befanden sich noch ein Tisch mit zwei Stühlen sowie ein Nachtschränkchen im Zimmer. Eine Flasche Wasser und ein Pappbecher standen konsumfertig auf dem Tisch. Von technischen Extras, wie sie in Hotelzimmern üblich waren, fehlte jede Spur. Weder gab es einen Fernseher noch eine Minibar oder ein Telefon. Steckdosen fehlten ebenfalls gänzlich. Ich ging ein Fenster nach dem anderen ab, doch keines ließ sich öffnen. So viel zum Thema Brandschutz.
Ich musste keinen Detektivlehrgang beim ZAD machen, um zu verstehen, dass dieses Zimmer dafür hergerichtet war, um seine Besucher abzuschotten. Kommunikation war hier genauso unverwünscht wie ein Zimmerservice. Beklemmung machte sich in meinem Inneren breit und ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach halb neun.
Ich setzte mich aufs Bett und dachte an Alexander. Er hatte mich im Casino gesehen, doch ich bezweifelte, dass er irgendeinen Verdacht schöpfen würde, wenn er nach seiner Zeugenbefragung merkte, dass ich nicht mehr da war. Wahrscheinlich würde er glauben, ich wäre wegen seiner Frau-Roloff-Masche sauer und ignorierte deshalb seine Anrufe. Vorausgesetzt, er rief überhaupt an.
Gregor hatte noch weniger Ahnung von dem, was ich gerade trieb. Zwar war er nicht meine erste Wahl, wenn es darum ging, gerettet zu werden. Aber in der Not frisst der Teufel ja bekanntlich Fliegen.
Hatte Boris Bäcker einst in dem gleichen Zimmer gesessen und darauf gewartet, seinen Schuldenberg abzuarbeiten? Aber wo war er bis zuletzt geblieben? War etwas schiefgelaufen? Hatte er sich abgeseilt? In Anbetracht der übrigen Schulden wäre dies vielleicht sogar nachvollziehbar. Immerhin hatte er bereits das Land verlassen, was ein brauchbares Indiz dafür war, dass er vor etwas weglief.
Oder jemandem.
Ein sämiger Kloß aus Spucke und Luft kroch meinen Hals hinunter, als ich mal wieder über den himmelschreienden Zufall nachdachte: Gregor bereiste ebenfalls die Niederlande, und zwar zum gleichen Zeitpunkt, als Bäcker verschwand. Und er hatte ausreichend Motivation, sich an Bäckers Fersen zu heften: Immerhin wollte der Reporter seinen Kopf an die Neonazis verkaufen – für welchen Preis auch immer.
Es war eine Ironie des Schicksals:
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