Fummelbunker
Kerker heraus ein wenig Respekt zu verschaffen.
Drei Sekunden später schloss mir der Kräuterkopf die Tür auf und führte mich wortlos zum Aufzug. Die Stahlkabine rutschte langsam die Etagen hinunter und die digitale Ziffer über der Tür zählte bis null. Dann schoben sich mit einem Bimmeln die Türen auseinander und Herr Dübel erwartete mich erfrischt und ausgeschlafen auf der anderen Seite. Er schien keinen Acht-Stunden-Schlaf zu brauchen. Oder er schlief überhaupt nicht.
Das Casino hatte geschlossen und es gab keinerlei Publikumsverkehr. Alles war mucksmäuschenstill, es roch nach Zitrusreinigern. Ich rieb mir Sandmännchens Schlafpulver aus den Augen. Es scheuerte auf meiner Haut.
»Ich habe Ihnen geraten, sich schlafen zu legen«, sagte Dübel leise und verzog seine Schnute, was wohl ein Lächeln darstellen sollte.
Giftig drückte ich meine ausufernden Tränensäcke hoch. »Wie kommen Sie darauf, dass ich nicht geschlafen habe, Sie Spanner?«
Er gab sich unbeeindruckt. »Die Kameras sind nur zu unserer Sicherheit installiert«, spielte er auf meine beleidigende Geste im Zimmer an. Er ging ein paar Schritte und ich latschte ihm mit steifen Armen hinterher. Die Halbschuhe waren eine echte Wohltat, was mich allerdings ziemlich nervte.
»Zu Ihrer Sicherheit?«, wiederholte ich. »Ich war eingesperrt. Was hätte ich schon anrichten können?«
»Wir mussten sichergehen, dass Sie auch wirklich allein sind.«
»Allein?«
Er sagte nichts darauf, aber wenige Sekunden später fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Der Kleiderwechsel! Auf diese Weise konnten sie mich gemütlich dabei beobachten, ob ich mir beim Anziehen irgendwelche Wanzen in die Taschen steckte. Keine dumme Idee.
Wir gingen nach draußen auf den Parkplatz. Dünne Wolken verhüllten den dämmernden Himmel und verliehen dem ganzen Trara eine noch trübsinnigere Stimmung. Der Hellweg war karg befahren, sodass der nahe liegende Frühverkehr auf der Autobahn seicht an mein Ohr plätscherte. Auf dem Parkplatz stand eine Handvoll Autos. Dübel gab mir den Autoschlüssel eines VW.
»Sie fahren mit dem silbernen Golf.« Er drückte auf den Schlüssel und die Blinker eines blitzblank polierten Wagens blinkten auf.
»Warum kann ich nicht einfach mit meinem Auto fahren?«
Er überging meine Frage. »In dem Wagen ist ein Navigationsgerät installiert und betriebsbereit. Folgen Sie der Route und beachten Sie die Geschwindigkeitsbegrenzungen.«
»Und was mache ich, wenn ich angekommen bin?«
»Im Handschuhfach ist eine Bankkarte. Geben Sie sie Ihrem Ansprechpartner vor Ort. Sie werden dafür etwas bekommen, was Sie unberührt zu uns zurückbringen.«
»Und was ist das, was ich bekomme?«, löcherte ich weiter.
Wieder ignorierte er die Frage. »Sie werden von einem anderen Fahrzeug begleitet. Der Wagen ist vollgetankt.«
Ich rümpfte die Nase. »Warum werde ich begleitet?«
»Zu unserer Sicherheit.« Dübel breitete seine Schultern aus, sein Mund war zu einem schmalen Strich geworden. In dem schwachen Laternenlicht wirkte sein Gesicht bedrohlicher als bisher. »Nur damit wir uns richtig verstehen. Sie möchten Ihr Darlehen tilgen. Wir möchten, dass Sie den Transfer erledigen. Alles andere, was davor, dazwischen und danach passiert, hat Sie nicht zu interessieren.«
»Wenn mir das Gleiche ›danach‹ widerfährt wie Boris Bäcker, hat mich das sehr wohl zu interessieren.« Es platzte aus mir heraus; aus Verzweiflung und aus Neugier. Und im Nachhinein war es vielleicht ein Fehler gewesen, Bäcker überhaupt ins Spiel zu bringen.
Dübel lachte unterkühlt. »Wie ich sehe, verstehen wir uns.«
Mir drehte sich der Magen um und ich musste schlucken, damit mir die Säure nicht die Speiseröhre hochkam.
»Machen Sie den Transfer. Keine Zwischenfälle, keine Kontakte. Kommen Sie nicht von der Route ab.«
Ich nickte stumm.
»Steigen Sie ein. Sie haben einen langen Weg vor sich.«
Mit puddingartigen Beinen latschte ich zu dem Wagen und krabbelte auf den Fahrersitz. Ich spürte die Blicke der Männer, aber ich mied es, noch einmal zu ihnen hinüberzusehen. Im Rückspiegel bleckten die Scheinwerfer eines zweiten Wagens, ein Mercedes. Offenbar war dies meine Begleitung für diesen Morgen und ich bezweifelte nicht, dass der Fahrer bis an die Zähne bewaffnet war. Mit zittrigen Fingern ließ ich den Motor an und studierte die Angaben auf dem Navigationsgerät. Dübel hatte nicht gelogen, mir stand eine dreistündige Fahrt bevor.
Ich fuhr vom Parkplatz
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