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Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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nun vorerst eine Beziehungstat ins Zentrum unserer Überlegungen.«
    »Erst einmal nicht falsch«, sagte Pohl schulterzuckend. »Machen Sie Fortschritte?«
    »Es gibt einen großen Unbekannten, mit dem Bettina Nowack Sex gehabt haben muß. Vielleicht hatten sie sogar eine Affäre.«
    »Und weiter?«
    »Das war es schon.«
    Der Fallanalytiker lächelte und setzte sich auf das Pult. »Bislang sind wir davon ausgegangen, daß der Täter noch keine sexuellen Erfahrungen mit Frauen sammeln konnte«, sagte er. »Er hat den Opfern postmortal den Schambereich freigelegt und anschließend masturbiert. Wahrscheinlich war das der Reizpunkt, weil er Bauch und Brüste bereits am See gesehen hat. Der Schambereich war neu für ihn.«
    »Sie denken, er hätte keine sexuellen Beziehungen zu einer Frau aufnehmen können?«
    »Doch, schon«, sagte er. »Aber es würde mich auch nicht wundern, wenn das konfliktreich vonstatten gegangen und dramatisch geendet wäre.«
    »Was könnte sonst noch für den unbekannten Liebhaber sprechen?«
    »Ich habe mir die Polizeiberichte angesehen«, sagte Pohl. »Der Täter hat das Opfer nach der Tat mit dessen Mantel bedeckt. Dieser Mantel wurde erst durch den Zeugen, der die Tote gefunden hat, beiseite gezogen.«
    »Und weiter?«
    »Es ist nur eine Theorie. Man spricht vom Undoing, von Wiedergutmachungshandlungen am Opfer nach der Tat. Der Täter zeigt Reue, Schuldgefühle. Es sind die letzten menschlichen Gefühle in seiner sadistischen Seele.«
    »Er hat die Konsequenz seiner Tat erkannt und wollte Bettina Nowack nicht unbedeckt zurücklassen.«
    »Zumindest wäre das eine Möglichkeit«, sagte Pohl.
    Wolfgang überlegte. »Was ist mit der Wehrhaftigkeit des Opfers? Sie sagten, daß er durch ihren enormen Widerstand am Ausleben seiner Phantasien gehindert worden sein könnte und so seine sexuelle und seelische Befriedigung nicht erlangen konnte.«
    »Auch das ist eine Möglichkeit. Da stellt sich allerdings die Frage der Opferwahl. Bettina war viel zu lebhaft, um seinen emotionalen Bedürfnissen gerecht zu werden. Das hätte er im Vorfeld wissen müssen.«
    »Und wenn er doch einfach nur gestört wurde?«
    »Dann müßte es Zeugen geben«, sagte Pohl.
    Wolfgang seufzte auf. »Jetzt haben Sie wieder das schlimme Wort benutzt«, sagte er und richtete sich in seinem Stuhl auf. »Wir haben eine ganze Armee von Ermittlungsbeamten in die anliegenden Plattenbauten geschickt. Doch niemand hat etwas gesehen. Mit den öffentlichen Aufrufen in der Presse ist es das gleiche. Es melden sich nur Wahnsinnige, die irgendeinen Unfug erzählen.«
    »Als hätten wir nicht ohnehin genug Verrückte, was?«
    Wolfgang sah nachdenklich auf die unleserlichen Stichpunkte des Fallanalytikers.
    »Und wenn man nicht mehr weiterweiß, dann geht man zum Profiler?« fragte Pohl lächelnd.
    »Haben Sie einen Vorschlag?«
    »Vielleicht habe ich eine Idee«, sagte Pohl vorsichtig.
    »Nur zu! Es kann uns niemand hören.«
    »Der Täter hatte zu dem Opfer eine andere Beziehung als zu den vorherigen. So viel ist klar. Vielleicht war sie exklusiver. Die Wiedergutmachungshandlungen könnten darauf hinweisen.«
    »Und was machen wir damit?«
    »Wir könnten die Presse in eine proaktive Ermittlungsstrategie einbinden«, sagte er. »Wenn wir persönliche Daten des Opfers veröffentlichen, etwas über das Leben des Mädchens erzählen, vielleicht sogar die Leiden und das Grauen seines Todes genau nachzeichnen, dann könnte dies Folgen haben.«
    »Der Täter könnte seine Schuldgefühle nicht mehr verdrängen«, meinte Wolfgang.
    »Falls er die noch hat«, fügte Pohl hinzu. »Dann jedoch könnte er nervös werden. Er könnte einen Fehler machen.«
    Sie sahen sich an. Wolfgang zog die Stirn in Falten.
    »Das ist sehr vage«, sagte Pohl. »Aber im Moment ist es alles, was mir einfällt.«
    »Ich werde darüber nachdenken.« Wolfgang stand auf. »Ach, übrigens! Glauben Sie, er wird dieses Mal zum Tatort zurückkehren?«
    »Haben Sie eine Observationseinheit eingesetzt?«
    Wolfgang nickte. »Sie beobachten vierundzwanzig Stunden die Parkplätze an der Alexanderstraße.«
    Pohl dachte darüber nach und zuckte mit den Schultern. »Ehrlich gesagt glaube ich nicht, daß er wiederkommen wird. Aber wer will das schon mit Sicherheit sagen können? Bei dieser Tat ist ohnehin so vieles anders.«
    Der Fallanalytiker nickte Wolfgang zu, dann drehte er sich wieder zum Flipchart und vertiefte sich in seine Notizen.
    Der dunkle Passat des Observationsteams

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