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Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Geräuschen aus dem Bad. Haarnadeln klirrten auf das Porzellan, ein Glasfläschchen fiel ins Waschbecken.
    »Es ist einfach grauenhaft«, fuhr sie fort. »Wann wird das nur zu Ende sein?«
    »Erst dann, wenn der Täter gefaßt ist.«
    »Wie kommt ein Mensch nur dazu, so etwas zu tun?«
    Er richtete sich in den Kissen auf. »Im Grunde sind wir alle gar nicht so weit davon entfernt.«
    Sie steckte den Kopf durch die Tür.
    »Was meinst du denn damit?«
    »Diese Abgründe schlummern in jedem Menschen«, sagte er. »Die Frage ist nur, wen wir hineinstoßen. Am Ende sind wir, die Gesellschaft, es doch selbst, die diese Alpträume erschaffen.«
    Er hatte sich lange genug mit diesem Tätertypus auseinandergesetzt, um seine Motivation zu begreifen. Der Täter hatte eine Geschichte, und nur die hatte ihn zu solchen Handlungen befähigt. Von außen betrachtet war er vielleicht schon immer ein Monster gewesen. Ein Kind, das Tiere quälte, Feuer legte, niemals Freunde hatte. Doch auch diese Kinder waren erst durch Gleichgültigkeit, Haß, Gewalt und Demütigung zu Monster gemacht worden.
    »Er mordet, weil er seine seelischen Fesseln sprengen will«, sagte er. »Es ist grauenhaft.« Er zog sich die Bettdecke bis ans Kinn. »Vielleicht müssen wir sogar Mitleid mit ihm haben.«
    Sie zog die Stirn kraus und sah ihn lange an. Es war wohl besser, das Thema zu wechseln. Doch sie trat bereits einen Schritt auf ihn zu.
    »Du mußt nicht immer alles erklären können«, sagte sie. »Manchmal wäre es ganz gut, einfach deine Wut herauszulassen.«
    »Ich gehöre zu dem Ermittlungsteam«, wandte er ein. »Was würde wohl passieren, wenn wir anfingen, unseren Affekten zu folgen?« Er schüttelte den Kopf. »Wir müssen nun einmal sachlich bleiben.«
    Sie lächelte. »Es geht gar nicht um eure Ermittlungen, nicht wahr? Es geht dabei um deine eigene Geschichte.«
    Er spürte wieder dieses Ziehen in der Brust. Elisabeth sah ihn unverwandt an. Er hatte ihr einmal erzählt, was vor vielen Jahren passiert war. Es war hier in ihrem Hotelbett gewesen, in einer der seltenen Nächte, die sie ganz für sich allein hatten. Sie hatten Kerzen aufgestellt, im Bett gelegen und Rotwein getrunken. Für eine Nacht war es, als wäre das, was sie miteinander verband, eine wirkliche Liebe. Und Michael hatte damit begonnen, von seinen Schrecken zu erzählen. Erst zaghaft und in Andeutungen. Doch als Elisabeth seine Hand genommen und ihm zugehört hatte, war es schließlich ungebremst aus ihm herausgebrochen.
    Aber diese Nacht war vorübergegangen, und später hatte er es schon mehrfach bereut, sie eingeweiht zu haben. In ihrer Beziehung war er ohnehin der Schwächere. Dieses Geständnis verstärkte das Gefälle nur.
    »Es geht hier um einen sadistischen Serienmörder«, sagte er. »Der Mann ist so weit abgedriftet, daß er Frauen qualvoll sterben lassen muß, um für sich einen Moment des Friedens zu finden. Wie kann das irgend etwas mit meiner Geschichte zu tun haben?«
    Sie betrachtete ihn schweigend, dann nickte sie, als würde sie seinen Einwand respektieren. Ihm blieb das ungute Gefühl, daß sie glaubte, ihn durchschaut zu haben.
    Sie drehte sich um und verschwand wieder im Bad.
    »Der Druck auf eure Arbeit muß ungeheuerlich sein«, rief sie. »Ich weiß nicht, wann jemals ein Verbrechen so ausführlich in der Presse und in den Nachrichten behandelt wurde.«
    »Das meiste bekommt der Kommissionsleiter ab«, sagte er. »Wir spüren diesen Druck dann nur mittelbar.«
    »Das heißt, Wolfgang wird am Ende das Magengeschwür haben?«
    Er mußte unfreiwillig lachen. Wolfgang hatte ihm gegenüber bemerkt, daß im Grunde die Verbrecher an seinen Streßleiden erkranken müßten. Erst dann könnte Gerechtigkeit entstehen.
    Elisabeth kam noch mal aus dem Bad und zog einen kleinen Kosmetikspiegel aus ihrer Tasche.
    »Hast du genügend Geld dabei, um das Zimmer zu zahlen?« fragte sie. »Ich habe nur meine Kreditkarte eingesteckt.«
    »Kein Problem«, sagte er.
    Sie lächelte ihm kurz zu, dann zog sie sich wieder ins Bad zurück.
    Es war dieses Lächeln. Ihre Bewegungen, ihr Duft in den Laken. Plötzlich drückten all die Gefühle, die er stets wegzuschieben suchte, schwer auf seine Brust. Seine Sehnsucht wurde unerträglich.
    Doch ihm war klar, daß er es ihr nicht sagen durfte.
    Er atmete tief durch.
    »Bleib bei mir.«
    Es herrschte Stille. Sekundenlang. Er glaubte, ihren Atem zu hören.
    Der Fön sprang an. Das monotone Heulen erfüllte den Raum. Es war wie ein

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