Fundort Jannowitzbrücke
Alexanderstraße ein und beschleunigte sein Tempo. An einer Tankstelle würde er sich Bier und Chips kaufen. Der Abend konnte auch für ihn noch erträglich werden.
An der Jannowitzbrücke zögerte er. Er bremste ab und fuhr im Schrittempo an der Stelle vorbei, wo die letzten beiden Leichen aufgefunden worden waren. Nichts deutete mehr auf die Schrecken hin, die sich dort abgespielt hatten. Die Parkplätze lagen ausgestorben im Halbdunkel der Laternen. Niemand war zu sehen.
Michael fuhr an den Straßenrand und stieg aus. Ein einsames Auto parkte an der Stelle, an der sie Bettina gefunden hatten. Es war ein alter Trabant, taubenblau. Er wirkte vollkommen verlassen dort draußen im Zwielicht, als wäre er bereits vor Monaten abgestellt worden.
Von weitem drangen fröhliche Stimmen zu ihm herüber. Irgendwo hupte ein Autokorso. Die Nacht hatte begonnen.
Er griff in die Manteltasche, zog sein Handy hervor und wählte Elisabeths Nummer. Doch sie hatte das Handy abgestellt. Das tat sie immer, wenn sie Feierabend machte und für die Redaktion nicht mehr erreichbar sein wollte.
Unschlüssig sah er auf das Handy, dann ließ er es wieder in seine Tasche gleiten. Es war kaum im Mantel verschwunden, da klingelte es. Hatte Elisabeth seinen Anruf doch bemerkt? Er zog es wieder hervor. Doch es war Wolfgang. Michael seufzte.
»Bist du schon zu Hause?« fragte sein Chef.
»So in etwa. Ich lege mich gleich vor den Fernseher.«
»Das ist gut. Ich will dich auch nicht lange stören.«
Michael setzte sich in seinen Wagen, das Handy am Ohr.
»Harald hat Olaf Nowacks Alibi überprüft«, sagte Wolfgang. »Er war in der Kneipe und hat mit dem Wirt gesprochen. Ich wollte dir nur kurz das Ergebnis durchgeben, damit du morgen nicht vorbeikommen mußt.«
»Und?«
»Der Wirt konnte sich an ihn erinnern. Er war an dem Abend tatsächlich dort, es gibt keinen Zweifel. Olaf Nowack ist nicht der Mörder der vier Frauen.«
Michael stieß die Luft aus. »Scheiße«, murmelte er.
»Nimm’s dir nicht zu Herzen.«
Michael hörte im Hintergrund Gerhard Pohl etwas sagen. Das fehlte ihm noch. Er wollte nicht wissen, wie Wolfgang und dieser Fallanalytiker über seinen Vorstoß sprachen.
»Schlaf dich erst einmal aus«, riet ihm Wolfgang jedoch mit versöhnlicher Stimme. »Montag sehen wir dann weiter. Wir verfolgen bis dahin die restlichen Spuren. Etwas wird schon dabeisein.«
»Ja, natürlich«, sagte er matt.
Er wünschte seinem Chef eine gute Nacht, legte auf und warf das Handy auf den Beifahrersitz. Dann drehte er den Zündschlüssel und setzte den Blinker. Doch zu seiner Überraschung signalisierte das Handy einen weiteren Anruf. Jetzt mußte es Elisabeth sein. Auf dem Display erschien »Unbekannter Anrufer«. Er zog die Stirn in Falten und nahm das Gespräch entgegen.
Es war jedoch nicht Elisabeth.
Es war überhaupt niemand, mit dem er gerechnet hatte.
Barbara Nowack wurde immer nervöser. Zweimal hatte sie halten und den Wagen rechts ranfahren müssen, um keinen Unfall zu verursachen. Ihre Hände zitterten, die Finger waren eiskalt. Sie atmete tief durch. Beruhige dich, sagte sie sich.
Wenn sie Angst zeigte, dann geriet ihr Plan in Gefahr. Sie mußte überlegt handeln, sonst war sie verloren. Sie ließ Prenzlauer Berg hinter sich und fuhr die Berliner Straße in Pankow entlang.
Am Straßenrand leuchteten die Preistafeln einer Tankstelle. Sie hatte eine Benzinquittung in der Brieftasche gesehen, die sie auf dem Parkplatz gefunden hatte. Er hat dort getankt, dachte sie, nachdem er in die Stadt gefahren war und seine Opfer gesucht hatte. Ihre Kräfte ließen wieder nach. Ihr wurde schwindelig, die Lichter der Straße verschwammen vor ihren Augen. Sie rang nach Luft. Dann fuhr sie auf das Gelände der Tankstelle. Zwischen den Zapfsäulen stellte sie den Motor ab. Sie blieb noch einen Moment im Auto sitzen, ehe sie ausstieg und das hell erleuchtete Innere des Tankstellenshops betrat.
Zunächst war sie von dem grellen Licht geblendet, und es dauerte, bis sie sich zurechtfand. Hinter der Verkaufstheke war ein Regal mit Zigaretten angebracht, daneben standen kleine Schnapsfläschchen. Barbara betrachtete die bunten Etiketten und wandte sich an den jungen Verkäufer, der hinter der Theke stand.
»Einen Pflaumenschnaps, bitte.«
Der Verkäufer zögerte. Doch dann griff er ins Regal und stellte ihr den Schnaps auf die Theke. Barbara bezahlte und verließ zügig die Tankstelle. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was dieser junge Mann
Weitere Kostenlose Bücher