Fundort Jannowitzbrücke
Sie vertraut Ihnen, ansonsten hätte sie mir niemals Ihre Telefonnummer gegeben, damit ich mich bei Ihnen melden kann.«
Michael glaubte immer noch, sich verhört zu haben. »Ich hatte fest geglaubt, daß sie mich verabscheut. Sie war bislang nicht gerade ...« Er suchte nach dem richtigen Wort. »... kooperativ.«
Maria Flores schien nicht überrascht zu sein.
»Verstehen Sie das nicht falsch«, betonte er. »Ich habe keinen Groll gegen sie. Mir ist klar, daß ich als Polizist generell nicht sehr beliebt bin. Die Leute glauben oft, daß wir nichts anderes zu tun haben, als wie die Heuschrecken über ihr geschütztes Privatleben herzufallen.«
»Aber machen Sie denn nicht auch genau das?« fragte sie belustigt.
Michael wußte nicht, was er sagen sollte. Maria Flores tat es mit einer Handbewegung ab.
»Barbara zeigt nicht gern ihre Gefühle«, sagte sie. »Das hat sie nie getan. Es dauert sehr lange, bis man merkt, was hinter ihrer schroffen Fassade vor sich geht und was sie von den Menschen um sich herum hält.«
Sie sah nachdenklich auf ihren blutroten Cocktail. Ihr Blick nahm einen melancholischen Ausdruck an. Michael beschloß, sich auf das Gespräch einzulassen. Vorerst. Er folgte einem plötzlichen Impuls und fragte: »Sie lieben sie noch immer?«
Sie sah überrascht zu ihm auf. Einen Augenblick lang befürchtete er, eine Grenze überschritten zu haben und ihr zu nahegetreten zu sein. Doch da begann sie zu lächeln.
»Wenn das nur so einfach wäre«, sagte sie traurig und schob den Cocktail von sich weg. »Sie macht es einer sehr schwer, sie zu lieben.«
Michael unterdrückte seine Frage. Maria würde es von sich aus ansprechen, wenn sie glaubte, daß es ihn etwas anginge.
»Niemals hat sie jemanden an sich herangelassen«, sagte sie. »Nicht einmal mich. Ich habe es immer wieder versucht, und sie hat mich immer wieder zurückgestoßen.«
Michael wußte bereits, wie es ausgehen würde. »Aber am Ende, da hat sie Ihnen ihre Liebe gezeigt, nicht wahr?«
Maria holte tief Luft. »Ja, das stimmt. Für einen kurzen Augenblick hat sie es getan. Doch am Ende waren meine Kräfte ganz einfach verbraucht von den vielen Anstrengungen und den zahllosen vergeblichen Versuchen. Am Ende war letztlich auch meine Liebe verbraucht.«
Michael dachte an Barbara Nowack. Er glaubte zu wissen, wie schwer ihr all das gefallen war. Barbara hatte viel gewagt. Überrascht bemerkte er, wie sehr er sich wünschte, sie wäre dafür belohnt worden.
»Ich hoffe, daß sie eines Tages eine andere findet«, sagte Maria. »Eine, die mehr Kraft hat als ich.«
Michael nahm einen Schluck von seinem Martini. Der Anlaß dieses Treffens war in den Hintergrund gerückt. Statt dessen fragte er sich nun, wie schwer es für Elisabeth sein mochte, mit ihm zusammenzusein. Für sie, die niemals mehr als eine Affäre gesucht hatte und die niemals Werner verlassen würde, egal, was passierte.
Maria räusperte sich und zeigte wieder ihr makelloses Lächeln.
»Und was ist mit Ihnen?« fragte sie.
Er sah überrascht auf »Mit mir?«
»Haben Sie mehr Glück in der Liebe?«
»Oh«, stieß er hervor. Die Frage kam so unverhofft, daß es ihm nicht gelang, eine unverfängliche Antwort zu formulieren. »Ich bin da nicht so talentiert, glaube ich«, sagte er kleinlaut und spürte, wie er rot anlief. Er fühlte sich wie ein Schuljunge, der beim Schummeln erwischt wurde.
Maria Flores richtete sich auf. Vorsichtig öffnete sie ihre Handtasche, zog einen kleinen Zettel hervor und betrachtete ihn schweigend. Dann überreichte sie ihn Michael, als wäre es ein geheimes Dokument. Auf dem Zettel stand eine Nummer, weiter nichts.
Das war es also, worüber sie mit ihm reden wollte. Er sah sie fragend an. Maria drückte ihre Tasche wieder zu und seufzte.
»Das hat sie mir gegeben, als sie angerufen hat.«
Michael betrachtete die Nummer auf dem Papier. Er hatte sie in irgendeinem Zusammenhang schon einmal gesehen.
»Hat sie Ihnen gesagt, was sie vorhat?« fragte er.
»Nein. Sie hat mir nur diese Telefonnummer gegeben und gesagt, ich solle mir keine Gedanken machen. Es wäre nur zu ihrer Sicherheit. Ihr Plan wäre gut durchdacht, und ihr könne nichts passieren.«
»Wozu dann diese Nummer?«
»Sie sagte, daß ich bis morgen warten solle. Wenn sie sich bis dahin nicht melden würde, dann sollte ich die Nummer an Sie weitergeben. Es war ihr wichtig, daß ich zu Kommissar Schöne gehe. Sie sagte, Sie würden schon wissen, was damit zu tun sei.«
Sie
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