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Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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von ihr denken mußte. Eine blasse und zitternde Frau, die anhielt und einen Schnaps trank, bevor sie in den Wagen steigen und weiterfahren konnte.
    Im Inneren ihres Sportwagens leerte sie das Fläschchen in einem Zug. Der Schnaps brannte angenehm in ihrer Kehle und wärmte sie von innen. Sie fühlte sich augenblicklich besser. Ich muß die Nerven behalten, dachte sie. Nur für diesen einen Abend.
    In spätestens einer Stunde würde alles vorbei sein. Egal, wie es zu Ende gehen würde.

18
    Zwanzig Minuten nach dem Telefonat verließ Michael seinen Golf, den er in einer Parkbucht der Karl-Marx-Allee abgestellt hatte. Er überblickte die frisch sanierten Arbeiterpaläste, die sich in einer prachtvollen Kette bis zu den fernen Türmen des Frankfurter Tors aneinanderreihten, und überquerte die Straße.
    Die kleine Bar befand sich am äußeren Ende eines Gebäudes, eingezwängt zwischen zwei riesigen Fassadensäulen. Maria Flores mußte bereits dort sein und auf ihn warten. Die ehemalige Geliebte von Barbara Nowack hatte ihn um Hilfe gebeten. Sie wußte etwas über Barbara, wollte jedoch am Telefon nicht darüber reden. Es mußte dringend sein, denn sie hatte für dieses Treffen ihre eigene Ausstellungseröffnung unterbrochen.
    Michael erkannte die Frau an der weiß getünchten Theke sofort, die Beschreibung paßte genau. Maria Flores trug ein enganliegendes, rotes Abendkleid, und auf ihrem sandfarbenen Dekollete leuchtete ein goldener Kettenanhänger. Sie war ohne Umwege von der Ausstellungseröffnung hierher gefahren.
    Ihre Blicke trafen sich. Sie strich sich die dunklen Haare aus dem Gesicht, rutschte vom Barhocker und kam ihm entgegen.
    »Michael Schöne?« fragte sie. »Danke, daß Sie gekommen sind.«
    Sie reichte ihm die Hand. Ihre Augen lächelten ihn auf eine Weise an, die ihn stocken ließ. Seine Professionalität war mit einem Mal verflogen.
    »Es freut mich, Sie kennenzulernen«, stotterte er.
    Er brachte sich schnell an der Theke in Sicherheit und bestellte beim Barkeeper einen Martini. Dann atmete er durch und sah sich betont gelassen um.
    Die dezenten Blumendekorationen auf der Theke, die sorgfältig ausgeleuchteten Whiskyflaschen in den Regalen, die ruhige Musik, das alles machte die Bar zum idealen Ort für ein Rendezvous. Gern hätte er sich von dem langsamen Jazz davontragen lassen. Doch er durfte den Anlaß dieses Treffens nicht vergessen. So sehr er sich auch von Maria Flores angezogen fühlte, mit ihr würde es niemals eine Verabredung dieser Art geben.
    »Sie wollten mich treffen?«
    Zu seiner Überraschung seufzte die Frau und blickte über ihn hinweg ins Leere. Er wartete einen Moment.
    »Sie haben am Telefon gesagt, es sei sehr wichtig«, fügte er hinzu.
    »Vielleicht ist es das auch«, sagte sie und fiel daraufhin wieder in Schweigen.
    »Frau Flores, Sie haben eigens Ihre Eröffnung unterbrochen, nur um mich zu treffen.«
    Sie deutete ein schiefes Lächeln an. »Es ist ein großer Vertrauensbruch Barbara gegenüber, daß ich mich mit Ihnen treffe.«
    Michael wollte reflexartig nachhaken, hielt sich jedoch zurück. Wenn er sie drängte, sagte ihm ein Gefühl, würde sie es sich vielleicht anders überlegen. Er mußte ihr Zeit lassen.
    »Ich mache mir große Sorgen um Barbara«, fuhr sie schließlich fort. »Sie hat mit mir gesprochen, gerade als die Ausstellungseröffnung begonnen hatte. Ich mußte ihr versprechen, Sie nicht anzurufen. Noch nicht. Ich sollte bis morgen warten.«
    Er verstand nun gar nichts mehr. »Sie sollen mich morgen anrufen?«
    Maria Flores schüttelte abwesend den Kopf. Sie rührte mit dem Strohhalm in ihrem Cocktail.
    »Barbara hat sich am Telefon so merkwürdig angehört«, nahm sie den Faden wieder auf. »Ich kenne sie gut genug, um zu wissen, daß etwas nicht stimmt. Vielleicht hätte ich Sie auch gar nicht anrufen sollen. Barbara ist sicher, daß ich ihr nicht in den Rücken falle. Sie hätte mir sonst niemals diesen Auftrag gegeben.« Sie schob sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Ich würde es gern so machen, wie sie es von mir erwartet. Ich kann es nur schwer erklären, aber ... ich hatte bei dem Gespräch das Gefühl, daß ich ihre Stimme zum letzten Mal höre.«
    »Ich kann Ihnen die Entscheidung nicht abnehmen, Frau Flores.«
    »Nein, das können Sie nicht.«
    Sie betrachtete ihn schweigend.
    »Barbara hat eine hohe Meinung von Ihnen«, sagte sie dann.
    Michael hätte beinahe das Glas fallen lassen. »Nehmen Sie mich auf den Arm?«
    Sie lächelte. »Aber nein.

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