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Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rekkless
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dass ihm das Experiment
gelungen und ihm tatsächlich ein Goldherz in der Brust geschlagen hatte.
    Männer.
Sie alle. Verrückt oder nicht verrückt. Nichts als Männer.
    Seit
Jahrhunderten hatten ausschließlich sie auf Austriens Thron gesessen, und
geändert hatte sich das nur, weil ihr Vater vier Töchter, aber keinen Sohn
gezeugt hatte.
    Auch sie
hatte keinen Sohn. Und nur eine Tochter. Aber sie hatte nicht vorgehabt, sie
zum Handelsgut zu machen, wie ihr Vater es mit ihren jüngeren Schwestern getan
hatte. Eine für den Krummen König in seinem finsteren Schloss in Lothringen,
eine für ihren jagdbesessenen Vetter in Albion und die jüngste verschachert an
einen Fürsten im Osten, der schon zwei Frauen begraben hatte.
    Nein. Auf
den Thron hatte sie ihre Tochter setzen wollen. Ihr Bild an dieser Wand sehen,
gerahmt in Gold, zwischen all den Männern. Amalie von Austrien, Tochter von
Therese, die davon geträumt hat, einmal die Große genannt zu werden. Aber es
gab keinen anderen Ausweg oder sie würden beide in dem blutigen Wasser
ertrinken. Sie selbst. Ihre Tochter. Ihr Volk. Ihr Thron. Diese Stadt und das
ganze Land mitsamt den Dummköpfen, die immer noch darüber redeten, warum sie diesen
Krieg für sie nicht hatten gewinnen können. Thereses Vater hätte sie hinrichten
lassen, aber was dann? Die Nächsten würden nicht besser sein. Und ihr Blut
würde ihr nicht die Soldaten zurückgeben, die sie verloren hatte, die
Provinzen, die nun den Goyl gehörten, oder ihren Stolz, der in den letzten
Monaten im Schlamm von vier Schlachtfeldern erstickt war. »Schluss.«
    Ein Wort
nur, und es wurde still in dem Saal, in dem schon ihr Urgroßvater Todesurteile
unterschrieben hatte. Macht. Berauschend wie guter Wein.
    Wie sie
die eitlen Köpfe einzogen. Sieh sie dir
an, Therese. Wäre es nicht doch eine Genugtuung, sie ihnen abzuschlagen?
    Die
Kaiserin rückte sich das Diadem aus Elfenglas zurecht, das schon ihre
Urgroßmutter getragen hatte, und winkte einen der Zwerge an den Schreibtisch.
Sie waren die einzigen Zwerge im Land, die noch Barte trugen. Diener,
Leibwächter, Vertraute. Seit Generationen im Dienst ihrer Familie und noch
immer in der Tracht, die sie schon vor zweihundert Jahren getragen hatten.
Kragen aus Spitze auf schwarzem Samt und die lächerlich weiten Hosen. Sehr
geschmacklos und völlig aus der Mode, aber über Tradition konnte man mit
Zwergen ebenso wenig streiten wie mit einem Priester über Religion.
    »Schreib!«,
befahl sie.
    Der Zwerg
kletterte auf den Stuhl. Er musste sich auf das blassgoldene Polster knien.
Auberon. Ihr Favorit und der Klügste von ihnen allen. Die Hand, mit der er nach
dem Füllfederhalter griff, war so klein wie die eines Kindes, aber diese Hände
zerbrachen Eisenketten so mühelos, wie ihre Köche ein Ei aufschlugen.
    »Wir,
Therese, Kaiserin von Austrien« - ihre Ahnen blickten missbilligend auf sie
herab, aber was wussten sie von Königen, die der Schoß der Erde geboren hatte,
und Feen, die Menschenhaut in Stein verwandelten, um sie der Haut ihres
Geliebten gleichzumachen? -, »bieten hiermit Kami'en, dem König der Goyl, die
Hand unserer Tochter Amalie zum Ehebund an, um diesem Krieg ein Ende zu setzen
und Frieden zu schließen zwischen unseren großen Nationen.«
    Wie die
Stille zersprang. Als hätte sie mit ihren Worten das Glashaus zerschlagen, in
dem sie alle saßen. Aber nicht sie, sondern der Goyl hatte den Schlag geführt,
und sie musste ihm nun ihre Tochter geben.
    Therese
wandte ihnen allen den Rücken zu und die aufgebrachten Stimmen verstummten.
Nur das Rascheln ihres Kleides folgte ihr, als sie auf die hohen Türen
zuschritt. Sie schienen nicht für Menschen, sondern für die Riesen gemacht, die
vor sechzig Jahren dank der Bemühungen ihres Urgroßvaters ausgestorben waren.
    Macht. Wie
Wein, wenn man sie hatte. Wie Gift, wenn man sie verlor. Sie spürte schon, wie
es an ihr fraß.
    Verloren.
     
    14
     
    DAS DORNENSCHLOSS
     
    »A ber er
wacht einfach nicht auf!« Die Stimme klang besorgt. Und vertraut. Fuchs. »Mach
dir keine Sorgen. Er schläft nur.« Die Stimme kannte er auch. Clara.
    Wach auf, Jacob. Finger strichen ihm über die heiße
Schulter. Er öffnete die Augen und sah über sich den Silbermond in einer Wolke
treiben, als wollte er sich vor seinem roten Zwilling verbergen. Er schien
herab in einen dunklen Schlosshof. Hohe Fenster spiegelten die Sterne in ihrem
Glas, doch hinter keinem war Licht zu sehen. Keine Laterne brannte über den
Türen oder

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