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Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rekkless
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sie den Kopf. Ihnen allen klebte der Hass inzwischen wie Schleim auf der
Haut.
    »Er hat es
nicht gesagt!«, stammelte der Dreifinger. »Ich schwör's.«
    Sein
Fleisch war blass und weich wie das einer Schnecke. Hentzau wandte sich
angeekelt ab. Er war sicher, dass sie ihnen alles verraten hatten, was sie
wussten, und nur ihretwegen war ihm der Jadegoyl entkommen.
    »Erschießt
sie«, sagte er und trat nach draußen.
    Die
Schüsse klangen seltsam in der Stille. Wie etwas, das nicht in diese Welt
gehörte. Flinten, Dampfmaschinen, Züge - Hentzau kam all das immer noch
unnatürlich vor. Er wurde alt, das war es. Das viele Sonnenlicht hatte seine
Augen getrübt, und sein Gehör war durch all den Schlachtenlärm so schlecht,
dass Nesser die Stimme hob, wenn sie mit ihm sprach. Kami'en tat, als fiele es
ihm nicht auf. Er wusste, dass Hentzau in seinem Dienst alt geworden war. Aber
die Dunkle Fee würde dafür sorgen, dass alle anderen es bemerkten, wenn sie
erst erfuhr, dass ihm der Jadegoyl ein paar Plünderern wegen entkommen war.
    Hentzau
sah ihn immer noch vor sich: das Gesicht halb Goyl, halb Mensch, die Haut
durchzogen von dem heiligsten Stein, den sie kannten. Er war es nicht. Er
konnte es nicht sein. Er war so unecht wie einer der Holzfetische, die Betrüger
mit Blattgold überzogen, um sie alten Frauen als massives Gold zu verkaufen. »Seht her, der Jadegoyl ist erschienen, um den König unbesiegbar zu
machen. Schneidet nur nicht zu tief, sonst findet ihr Menschenfleisch.« Ja, das
war es. Nichts als ein weiterer Versuch der Fee, sich unentbehrlich zu machen.
    Hentzau
starrte in die aufziehende Nacht und selbst die Dunkelheit verwandelte sich in
Jade.
    Aber was, wenn du dich irrst, Hentzau? Was, wenn er der echte ist? Was,
wenn das Schicksal deines Königs an ihm hängt? Und er
hatte ihn entkommen lassen.
    Als der
Fährtenleser endlich zurückkam, sahen ihm selbst Hentzaus getrübte Augen an,
dass er die Spur verloren hatte. Früher hätte er ihn dafür auf der Stelle
getötet, aber Hentzau hatte gelernt, den Zorn zu zügeln, der in ihnen allen
schlief auch wenn er sich nicht halb so gut darauf verstand wie Kami'en. Das
Einzige, was ihm nun blieb, war der Hinweis auf die Feen. Was hieß, dass er
seinen Stolz wieder einmal herunterschlucken und einen Boten an die Dunkle Fee
schicken musste, um sie nach dem Weg zu fragen. Diese Aussicht schmerzte mehr
als die kalte Nacht.
    »Du wirst
die Spur für mich finden!«, fuhr er den Fährtensucher an. »Sobald es hell
wird. Drei Pferde und ein Fuchs. Das kann doch nicht so schwer sein!«
    Er fragte
sich gerade, wen er zu der Fee schicken sollte, als Nesser zögernd auf ihn
zutrat. Sie war gerade erst dreizehn Jahre alt. Goyl waren längst ausgewachsen
in diesem Alter, aber die meisten kamen frühestens mit vierzehn zur Armee.
Nesser war weder besonders geschickt mit dem Säbel noch eine gute Schützin,
doch sie machte beide Schwächen mit ihrem Mut mehr als wett. In ihrem Alter
kannte man keine Furcht und hielt sich auch ohne Feenblut in den Adern für
unsterblich. Hentzau erinnerte sich noch gut an das Gefühl.
    »Kommandant?«
    Er liebte
die Ehrfurcht in ihrer jungen Stimme. Sie war das beste Gegengift gegen die
Selbstzweifel, die die Dunkle Fee in ihm säte.
    »Was?«
    »Ich weiß,
wie man zu den Feen kommt. Nicht auf die Insel     aber zu dem Tal, von dem
aus man zu ihr gelangt.«
    »Tatsächlich?«
Hentzau ließ sich nicht anmerken, wie sehr sie ihm das Herz erleichterte. Er
hatte eine Schwäche für das Mädchen und war deshalb umso strenger mit ihr.
Nessers Haut glich wie die seine braunem Jaspis, aber wie bei allen Goylfrauen
war sie mit Amethyst durchsetzt.
    »Ich
gehörte zu der Eskorte, die die Dunkle Fee auf Wunsch des Königs begleitet,
wenn sie auf Reisen geht. Ich war dabei, als sie zum letzten Mal zu ihrer
Schwester geritten ist. Sie hat uns am Eingang des Tals zurückgelassen, aber
...«
    Das war zu
gut, um wahr zu sein. Er musste nicht um Hilfe betteln, und niemand würde
erfahren, dass der Jadegoyl ihm entkommen war. Hentzau ballte die Hand zur
Faust. Aber er wahrte ein unbewegtes Gesicht.
    »Gut«,
sagte er nur in betont gelangweiltem Ton. »Sag dem Fährtensucher, dass du uns
von nun an führst. Aber wehe, du verirrst dich.«
    »Bestimmt
nicht, Kommandant.« Nessers goldene Augen schimmerten vor Zuversicht, als sie
davonhastete.
    Hentzau
aber starrte die unbefestigte Straße hinunter, auf der der Jadegoyl entkommen
war. Einer der Plünderer hatte

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