Funke, Cornelia
Helme, die mit Schwanenfedern geschmückt
waren, aber die Zwerge dekorierten die modernen Zeiten gern mit den Uniformen
der Vergangenheit.
Jacob ritt
hinter zwei Goyl an den Rieslingen vorbei. Der eine hatte Mondstein-, der
andere Onyxhaut. Sie waren nicht anders gekleidet als die menschlichen
Fabrikanten, deren Kutsche die Rieslinge hinter ihnen durch das Tor winkten,
aber unter ihren langschößigen Jacken zeichneten sich Pistolengriffe ab. Die
weiten Kragen waren mit Jade und Mondstein bestickt, und die dunklen Brillen,
mit denen sie ihre lichtscheuen Augen schützten, waren aus so dünnem Onyx, wie
kein Mensch ihn hätte schleifen können.
Die beiden
Goyl ignorierten den Abscheu, den ihr Anblick bei den menschlichen Besuchern
der Zwergenstadt hervorrief. Ihre Gesichter sagten es deutlich: Diese Welt
gehörte ihnen. Ihr König hatte sie wie eine reife Frucht gepflückt, und die,
die sie noch vor wenigen Jahren wie Tiere gejagt hatten, begruben ihre Soldaten
in Massengräbern und bettelten um Frieden.
Der
Onyxhäutige nahm die Brille ab und blickte sich um. Sein goldgetränkter Blick
glich so sehr dem von Will, dass Jacob das Pferd zügelte und ihm nachstarrte,
bis ihn das ärgerliche Schimpfen einer Zwergenfrau, deren winzigen Kindern er
den Weg versperrte, wieder zu sich brachte.
Zwergenstadt,
geschrumpfte Welt.
Jacob gab
die Stute in einem der Mietställe hinter der Mauer ab. Die Hauptstraßen von Terpevas
waren breit wie Menschengassen, doch abseits davon konnte die Stadt nicht
verhehlen, dass ihre Bewohner kaum größer als sechsjährige Kinder waren, und
einige Gassen waren so eng, dass Jacob selbst zu Fuß kaum hindurchpasste. Die
Städte der Spiegelwelt wuchsen wie Fungus und Terpevas war keine Ausnahme. Der
Rauch der zahllosen Kohleöfen schwärzte Fenster und Mauern, und der Gestank,
der in der kalten Herbstluft hing, kam nicht von welkem Laub, auch wenn die
Kanalisation der Zwerge besser war als die der Kaiserin. Mit jedem Jahr, das
Jacob in ihr verbrachte, schien die Welt hinter dem Spiegel sich mehr
anzustrengen, ihrer Schwester auf der anderen Seite gleich zu werden.
Jacob
konnte kaum ein Straßenschild lesen, weil er das Zwergen-Alphabet nur
bruchstückhaft beherrschte, und schon bald hatte er sich hoffnungslos verirrt.
Als er sich den Kopf zum dritten Mal am selben Friseurladen-Schild stieß,
hielt er einen Botenjungen an und fragte ihn nach dem Haus von Evenaugh Valiant,
Im- und Exporthändler für Raritäten jeder Art. Der Junge reichte ihm kaum bis
an die Knie, aber er blickte auf der Stelle freundlicher zu ihm hoch, als Jacob
zwei Kupfertaler in seine winzige Hand zählte. Der Knirps huschte so schnell
davon, dass Jacob ihm in den belebten Gassen kaum folgen konnte, doch
schließlich machte er vor dem Hauseingang halt, durch den Jacob sich vor drei
Jahren schon einmal gezwängt hatte.
Valiants
Name stand in goldenen Lettern auf der milchigen Scheibe, und Jacob musste
sich, wie damals, tief ducken, um durch den Türrahmen zu passen. Evenaugh
Valiants Vorzimmer war gerade so hoch, dass Menschen aufrecht darin stehen konnten.
Die Wände schmückten Fotos seiner bedeutendsten Kunden. Inzwischen ließ man
sich auch hinter dem Spiegel nicht mehr malen, sondern fotografieren, und
nichts demonstrierte Valiants Geschäftssinn besser als die Tatsache, dass das
Bild der Kaiserin neben dem eines Goyloffiziers hing. Die Rahmen waren aus
Mondsilber, und von der Decke hing eine Lampe, die mit den Glashaaren eines
Flaschengeists besetzt war, was den Zwerg ein Vermögen
gekostet haben musste. Alles zeugte von gut gehenden Geschäften. Es gab sogar
zwei Sekretäre statt der grimmigen Zwergin, die Jacob bei seinem letzten Besuch
empfangen hatte.
Der
kleinere hob nicht mal den Kopf, als Jacob vor seinem kaum kniehohen
Schreibtisch stehen blieb, und der zweite musterte ihn mit der üblichen
Verachtung, mit der Zwerge allen Menschen begegneten, auch wenn sie mit ihnen
Geschäfte machten.
Jacob
schenkte ihm sein freundlichstes Lächeln. »Ich nehme an, Herr Valiant handelt
immer noch mit den Feen?«
»Allerdings.
Aber Mottenkokons können wir zurzeit nicht liefern.« Die Stimme des Sekretärs
war, wie bei vielen Zwergen, erstaunlich tief. »Versuchen Sie es in drei
Monaten noch mal.«
Damit
wandte er sich wieder seinen Papieren zu. Doch sein Kopf fuhr hoch, als Jacob
mit einem sachten Klicken die Pistole spannte.
»Ich bin
nicht wegen Mottenkokons hier. Darf ich Sie beide in den Schrank da
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