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Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rekkless
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in
Fenstern aus Malachit spiegelte ... »Will?«
    Er wandte sich
um und der Fels schwieg.
    Eine Frau
stand im Eingang der Höhle. Das Sonnenlicht haftete an ihrem Haar, als wäre
sie daraus gemacht.
    Clara. Ihr
Gesicht brachte die Erinnerung an eine andere Welt, wo Stein nur Mauern und
tote Straßen bedeutet hatte.
    »Hast du
Hunger? Fuchs hat ein Kaninchen gefangen und mir gezeigt, wie man Feuer macht.«
    Sie trat
auf ihn zu und nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände, so weiche Hände, so
farblos im Vergleich zu dem Grün, das seine Haut durchzog. Ihre Berührung ließ
ihn schaudern, doch Will versuchte, es zu verbergen. Er liebte sie. Oder?
    Wenn nur
ihre Haut nicht so weich und blass gewesen wäre.
    »Hörst du
etwas?«, fragte er.
    Sie sah
ihn verständnislos an.
    »Schon
gut«, sagte er und küsste sie, um zu vergessen, dass er sich plötzlich danach
sehnte, Amethyst in ihrer Haut zu finden. Ihre Lippen riefen Erinnerungen wach:
an ein Haus, hoch wie ein Turm, und Nächte, die nicht das Gold in seinen Augen,
sondern künstliches Licht erhellte ...
    »Ich liebe
dich, Will.« Sie flüsterte die Worte, als versuchte sie, damit den Stein zu
bannen. Aber der Fels flüsterte lauter, und Will wollte den Namen vergessen,
den sie ihm gab.
    Ich liebe
dich auch, wollte er sagen, weil er wusste, dass er es schon oft gesagt hatte.
Aber er war nicht mehr sicher, was es bedeutete und ob man es fühlen konnte mit
einem Herzen aus Stein.
    »Es wird
alles gut«, flüsterte sie und strich ihm übers Gesicht, als wollte sie sein
altes Fleisch unter der neuen Haut ertasten. »Jacob wird bald zurück sein.«
    Jacob.
Noch ein Name. Es klebte Schmerz daran, und er erinnerte sich, dass er diesen
Namen allzu oft ins Leere gerufen hatte. Leere Zimmer. Leere Tage.
    Jacob.
Clara. Will.
    Er wollte
sie alle vergessen.
    Er stieß
die weichen Hände fort.
    »Nicht«,
sagte er. »Fass mich nicht an.«
    Wie sie
ihn ansah. Schmerz. Liebe. Vorwurf. Er hatte all das schon auf einem anderen
Gesicht gesehen. Es war wohl das seiner Mutter gewesen. Zu viel Schmerz. Zu
viel Liebe. Er wollte all das nicht mehr. Er wollte den Stein, kühl und fest.
So anders als all die Weichheit und das Nachgeben, all die Verletzlichkeit und
das tränenreiche Fleisch.
    Will
kehrte ihr den Rücken zu. »Geh«, sagte er. »Geh endlich.«
    Und hörte
wieder den Felsen zu. Ließ sie Bilder malen. Und zu Stein machen, was weich in
ihm war.
     
    19
     
    VALIANT
     
    T erpevas
war die größte Zwergenstadt und mehr als zwölfhundert Jahre alt, wenn man ihren
Archiven Glauben schenkte. Aber die Werbeschilder, die an den Stadtmauern Bier,
Augengläser und Matratzenpatente anpriesen, machten jedem Besucher auf der
Stelle klar, dass niemand die modernen Zeiten ernster nahm als die Zwerge. Sie
waren mürrisch, traditionsbewusst, erfinderisch, und ihre Handelsposten fanden
sich in jedem Winkel der Spiegelwelt, obwohl sie den meisten ihrer Kunden kaum
bis zur Hüfte reichten. Außerdem hatten sie einen erstklassigen Ruf als Spione.
     
    Der
Verkehr vor den Toren von Terpevas war fast ebenso dicht wie auf der anderen
Seite des Spiegels. Doch hier lärmten Karren, Kutschen und Reiter auf grauem
Kopfsteinpflaster. Die Kundschaft kam aus allen Himmelsrichtungen. Der Krieg
hatte für die Zwerge die Geschäfte nur belebt. Sie handelten schon lange mit
den Goyl und der steinerne König hatte viele von ihnen zu seinen Hauptlieferanten
gemacht. Auch Evenaugh Valiant, der Zwerg, den Jacob in Terpevas zu finden
hoffte, handelte seit Jahren mit den Goyl, getreu seinem Motto, sich immer
rechtzeitig auf die Seite der Gewinner zu schlagen.
    Bleibt nur zu hoffen, dass der verschlagene kleine Bastard noch lebt!, dachte
Jacob, während er die Stute an Kutschen und Einspännern vorbei auf das
südliche Stadttor zutrieb. Schließlich war es sehr gut möglich, dass irgendein
betrogener Kunde Valiant inzwischen erschlagen hatte.
    Um den
Posten neben dem Tor in die Augen zu sehen, hätten sich mindestens drei Zwerge
aufeinanderstellen müssen. Sie heuerten für ihre Stadttore nur Wachen an, die
ihre Abstammung von den ausgestorbenen Riesen nachweisen konnten. Die
Rieslinge, wie sie genannt wurden, waren als Söldner und Wächter sehr begehrt,
obwohl sie den Ruf hatten, nicht besonders schlau zu sein, und die Zwerge
zahlten so gut, dass die Riesenabkömmlinge sich dafür sogar in die altmodischen
Uniformen zwängten, die die Armee ihrer Dienstherren trug. Nicht einmal die
kaiserliche Kavallerie trug noch

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