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Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rekkless
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Sonne zwischen regenschweren Wolken trieb. Der Motorenlärm zerriss die
Stille, und ein Schwarm Krähen erhob sich aus den nahen Bäumen, aber zum Glück
flogen sie ihm nicht in den Propeller.
    Zieh sie hoch, Jacob. Fuchs lässt sich ein Fell wachsen, dein Bruder trägt
eine Haut aus Stein und du hast nun Flügel.
    Maschinenzauber.
    Sein Vater
hatte Drachen aus Metall hinter den Spiegel gebracht. Und wie damals, als
Jacob den Bogen Papier in einem seiner Bücher gefunden hatte, wollte der
Gedanke nicht weichen, dass John Reckless seinem ältesten
Sohn erneut etwas hinterlassen hatte.
    Das
Flugzeug stieg höher und höher, und Jacob sah unter sich Straßen und Gleise,
die durch massive Torbögen im Innern eines Berges verschwanden. Noch vor
wenigen Jahren war der Eingang der Goylfestung nur ein natürlicher Spalt am Fuß
des Berges gewesen. Doch inzwischen schmückten Echsen aus Jade die Tore, und
in die Bergflanke war das Wappen des Königs eingelassen, das Kami'en erst vor
einem Jahr zu dem seinen erklärt hatte: der Umriss einer schwarzen Motte in
einem Feld aus Karneol. Die Sonne zeichnete ihr den Schatten des Flugzeugs
unter die Flügel, als Jacob an dem Wappen vorbeiflog.
    Er stahl
dem König der Goyl seinen Drachen. Aber auch das gab ihm nicht seinen Bruder
zurück.
     
    42
     
    ZWEI WEGE
     
    Z urück.
Über den Fluss, auf dem sie fast die Loreley gefressen hatten, die Berge, in
denen Jacob gestorben war, das geplünderte Land, in dem die Prinzessin
zwischen Rosen schlief und Will die Goyl zum ersten Mal wie seinesgleichen
angestarrt hatte ... Die Junkers brachte die Meilen, für die sie mehr als eine
Woche gebraucht hatten, in wenigen Stunden hinter sich. Aber Jacob kam der Weg
trotzdem ebenso lang vor, denn jede Meile machte es unwiderruflicher, dass er
keinen Bruder mehr hatte.
    »Wo ist Will, Jacob?« Ms Kind hatte er ihn mehr als einmal
verloren. Beim Einkaufen oder im Park, weil es ihm peinlich gewesen war, die
Hand seines kleinen Bruders zu halten. Will war fort gewesen, sobald man seine
kurzen Finger losließ. Einem Eichhörnchen nach, einem streunenden Hund, einer
Krähe ... Einmal hatte Jacob Stunden nach ihm gesucht, bis er Will mit
verheultem Gesicht vor einem Ladeneingang gefunden hatte. Aber diesmal gab es
keinen Ort, an dem er suchen konnte, keinen Weg, den er zurückgehen konnte, um
seinen Fehler ungeschehen zu machen, den einen Moment der Unachtsamkeit.
    Jacob
folgte einer Gleisstrecke nach Osten, in der Hoffnung, dass sie Richtung
Schwanstein führte. Es war bitterkalt in dem offenen Flugzeug, obwohl er nicht
allzu hoch flog, und der Wind fuhr immer wieder so tückisch unter die
aluminiumverkleideten Flügel, dass Jacob die Selbstvorwürfe vergaß und nur mit
der schwankenden Maschine kämpfte. Hinter ihm begann der Zwerg jedes Mal zu
fluchen, wenn das Flugzeug an Höhe verlor, auch wenn er es bestimmt genoss,
sich den engen Rücksitz mit Clara zu teilen, und Fuchs ließ immer öfter ein
klägliches Jaulen hören. Nur von Clara kam kein Laut, als ließe sie den Wind
alles fortwehen, was in den letzten Tagen passiert war.
    Fliegen.
    Es war,
als wären beide Welten verschmolzen. Als gäbe es den Spiegel nicht mehr. Wenn
aus den Drachen Maschinen wurden, was kam als Nächstes?
    Es war
nicht gut, solche Gedanken hinter dem Steuerknüppel eines Doppeldeckers zu
haben, schon gar nicht, wenn man zum ersten Mal dahintersaß. Der aufsteigende
Dampf einer Lok nahm Jacob die Sicht. Er zog das Flugzeug zu schnell hoch, und
die Junkers stützte auf die Erde zu, als hätte sie sich plötzlich daran
erinnert, dass sie eigentlich aus einer anderen Welt stammte. Fuchs duckte sich
winselnd und Valiants Flüche übertönten den spuckenden Motor.
    Natürlich. Wie hast du glauben können, dass auf etwas Verlass ist, das von
deinem Vater stammt, Jacob?
    Er spürte,
wie Clara die Finger in seine Schulter grub. Was würde sein letzter Gedanke
sein? Die Erinnerung an Wills Jadegesicht oder die toten Lerchen?
    Er fand es
nicht heraus.
    Ein
Windstoß fing den Fall der stöhnenden Maschine auf, und Jacob konnte sie
abfangen, bevor sie die ersten Baumwipfel streifte. Das Flugzeug schlingerte
wie ein angeschossener Vogel, aber er schaffte es, die Räder auf einer
morastigen Anhöhe aufzusetzen. Das Ruder zerbrach bei dem Aufprall. Einer der
Flügel zersplitterte an einem Baum, und der Rumpf riss auf, als es über den
steinigen Grund schlitterte, aber schließlich kam es zum Halten. Der Motor
erstarb mit einem letzten

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