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Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rekkless
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kaiserlichen Garden richteten die
Bajonette auf ihn, sobald er davor stehen blieb, doch zum Glück entdeckte er
unter einem der Federbuschhelme ein Gesicht, das er kannte: Justus Kronsberg,
jüngster Sohn eines Landadligen. Seine Familie verdankte ihren Reichtum der
Tatsache, dass in den Wiesen seines Vaters Schwärme der Elfen lebten, deren
Garn und Glas so viele Kleider am Hof schmückten.
    Die
Kaiserin ließ für die kaiserliche Garde nur Soldaten zu, die mindestens zwei
Meter groß waren, und der jüngste Kronsberg-Sohn war keine Ausnahme. Justus
Kronsberg überragte Jacob um einen halben Kopf, den Helm nicht mitgerechnet,
aber sein spärlicher Schnurrbart verbarg nicht, dass er immer noch das Gesicht
eines Kindes hatte.
    Jacob
hatte einen von Justus' Brüdern vor Jahren vor einer Hexe beschützt, die sehr
verärgert darüber gewesen war, dass er ihre Tochter zurückgewiesen hatte. Der
Vater sandte ihm zum Dank immer noch jedes Jahr so viel Elfenglas, dass es
Knöpfe für all seine Kleider lieferte. Dass es vor Stilzen und Däumlingen
schützte, hatte sich allerdings nicht bewahrheitet.
    »Jacob
Reckless!« Der jüngste Kronsberg sprach den weichen Dialekt, den man in den
Dörfern nahe der Hauptstadt hörte. »Mir hat erst gestern jemand erzählt, die
Goyl hätten dich erschlagen.«
    »Tatsächlich?«
    Jacob
griff sich unwillkürlich an die Brust. Der Mottenabdruck färbte ihm immer noch
die Haut.
    »Wo haben
sie den Bräutigam einquartiert?«, fragte er, als Kronsberg ihm das Tor öffnete.
»Im Nordflügel?«
    Die
anderen Wachen musterten ihn misstrauisch.
    »Wo
sonst?« Kronsberg senkte die Stimme. »Kommst du von einem Auftrag zurück? Ich
habe gehört, dass die Kaiserin dreißig Goldtaler auf einen Wünschsack
ausgesetzt hat, seit der Krumme König sich damit brüstet, einen zu besitzen.«
    Ein
Wünschsack. Chanute besaß einen. Jacob war dabei gewesen, als er ihn einem
Stilz gestohlen hatte. Aber selbst Chanute war nicht so gewissenlos, ein
solches Ding in die Hände einer Kaiserin zu geben. Man musste nur den Namen
eines Feindes nennen und der Sack ließ ihn spurlos verschwinden. Der Krumme
König hatte sich auf die Art angeblich schon Hunderter von Männern entledigt.
    Jacob
blickte hinauf zu dem Balkon, auf dem die Kaiserin am nächsten Tag ihren
Untertanen das Brautpaar präsentieren würde.
    »Nein,
wegen des Wünschsacks bin ich nicht hier«, sagte er. »Ich bringe ein Geschenk
für die Braut. Grüß deinen Bruder und deinen Vater von mir.«
    Justus
Kronsberg war sichtlich enttäuscht, nicht mehr zu erfahren, aber das Tor zum
ersten Palasthof öffnete er Jacob trotzdem. Schließlich verdankte sein Bruder
ihm, dass er keine Kröte am Grund irgendeines Brunnens war oder, was viele
Hexen inzwischen bevorzugten, eine Fußmatte oder ein Tablett für ihr
Teegeschirr.
    Es war
drei Monate her, dass Jacob zuletzt im Palast gewesen war. Er hatte in den
Wunderkammern der Kaiserin eine Zaubernuss auf ihre Echtheit geprüft. Die
weiten Höfe nahmen sich im Vergleich zu dem, was er in der Goylfestung gesehen
hatte, fast bescheiden aus, und die Gebäude, die sie umgaben, schienen trotz
ihrer Kristallbalkone und vergoldeten Dachfirste schlicht im Vergleich zu dem
hängenden Palast. Aber die Pracht im Inneren war immer noch beeindruckend.
    Die
austrischen Kaiser hatten besonders im Nordflügel an nichts gespart.
Schließlich war er erbaut worden, um ihren Gästen den Reichtum und die Macht
des Kaiserreichs zu demonstrieren. An den Säulen der Eingangshalle rankten
Früchte und Blüten aus Gold. Der Fußboden war aus weißem Marmor - auch von
Mosaiken verstanden die Goyl mehr als ihre Feinde -, und die Wände waren bemalt
mit Austriens Sehenswürdigkeiten, den höchsten Bergen, ältesten Städten,
schönsten Schlössern. Die Ruine, die den Spiegel beherbergte, war noch in alter
Pracht abgebildet, und Schwanstein war ein Märchenidyll zu ihren Füßen. Weder
Straßen noch Eisenbahngleise durchzogen die gemalten Hügel. Stattdessen
wimmelten sie von all dem, was die Vorfahren der Kaiserin mit Leidenschaft
gejagt hatten: Riesen und Hexen, Wassermänner und Loreley, Einhörner und Menschenfresser.
    Entlang
der Treppe, die in die oberen Stockwerke führte, hingen weniger friedliche
Bilder. Der Vater der Kaiserin hatte sie malen lassen: See- und Landschlachten,
Sommer- und Winterschlachten, Schlachten gegen seinen Bruder in Lothringen,
den Vetter in Albion, rebellische Zwerge und die Wolfsfürsten im Osten. Jeder
Gast, wo

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