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Funkensommer

Funkensommer

Titel: Funkensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Holzinger
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vorhin nämlich etwas eingefallen.
    Schnell laufe ich in die Küche, wo Mama immer noch beim Ribiselsaft-Machen ist. Mit braunem Zucker anstatt weißem, versteht sich. Der süßliche, karamellige Duft hängt schwer im Raum. »Was ist los?«, fragt sie mich.
    »Ich muss nur etwas nachschauen«, antworte ich und werfe einen flinken Blick auf Papas heiß geliebten Bauernkalender. Da steht am kommenden Dienstag: Antonia Brugger, 13.30 Uhr, gesamte Familie. Ha – ich wusste es!
    So beiläufig wie möglich frage ich Mama: »Müsst ihr da wieder hin?« Mit dem Kopf nicke ich auf das Datum.
    »Ja«, antwortet sie, während sie eine volle Flasche Saft zuschraubt und eine leere unter den Entsafter stellt. Sie löst die Klammer vom Schlauch und ein rötlicher Schwall rinnt in die Flasche und bedeckt den Glasboden.
    »Muss ich da auch hin?«, frage ich weiter.
    Mama schüttelt den Kopf. »Das geht nicht. Irgendwer muss die Stallarbeit machen«, sagt sie, den Blick immer noch auf die Flaschen gerichtet. »Bis wir zu Hause sind, wird es spät abends sein. Es genügt, wenn Papa mitfährt – war eh schwierig genug, ihn davon zu überzeugen.«
    So ist das also, denke ich mir. Mamas »ganze Familie« besteht mittlerweile nur noch aus: Mama, Papa und Raphael. Und ich bin der Stalldepp, wenn alle anderen unterwegs sind? Nur dass ich an diesem Tag sturmfreie Bude haben werde! Und dieses Wissen bereitet mir jetzt eine geradezu diebische Freude.
     
    Als Jelly am Dienstagnachmittag mit dem Ikea-Krempel antanzt, hat sich meine Freude aber schon wieder gelegt. Wahrscheinlich ist sie verdampft, so wie derzeit das Wasser in den Bächen und Flüssen. Kein Wunder bei den Temperaturen! Hitzemonat und Rekordsommer nennen die Nachrichtensprecher das, wenn sie das Wetter ansagen.
    Misstrauisch schaue ich zu, wie Jelly einen riesigen Pinsel aus der Tasche zieht. »Wir sollten zuerst alles abdecken, was nicht gestrichen wird«, sagt sie im Kommandoton und drückt mir neben einer Rolle Abdeckfolie auch die Packung mit der Bettwäsche in die Hand. »Vorher aber gehört die hier gewaschen«, sagt sie und bugsiert mich in Richtung Waschküche. Als ich wiederkomme, hat Jelly schon angefangen, den Möbellack aufzurühren.
    »Ob das wirklich eine gute Idee ist?«, frage ich unsicher. »Vielleicht würde es genügen, wenn wir nur die Wände streichen …«
    Jellys Blick bringt mich sofort zum Schweigen. »Dann würde unsere Aktion doch nichts bringen. Es geht darum, deinen Eltern klarzumachen, dass du ein Recht auf ein eigenes Leben hast! Deshalb die Möbel … verstehst du? Dein Vater hätte dir jederzeit eine neue Einrichtung kaufen können – hat er aber nicht. Stattdessen glaubt er, dass du dich in so einem alten Oma-Zimmer wohlfühlst …«
    »Mhm«, sage ich und bin überrascht, dass ich mir bisher nie darüber Gedanken gemacht habe. Klar – nach Omas Tod habe ich schon gefragt, ob ich nicht andere Möbel kriegen könnte – doch irgendwie ist aus dem Möbelkauf nie etwas geworden. Nun ist Oma schon drei Jahre tot …
    Also doch selbst Hand anlegen. Auf was will ich warten? Dass alles wieder so wird wie früher? Vor Raphaels Anfall? Geht das überhaupt?
    Lieber fange ich mit dem Abkleben der geschnitzten Rosetten an Schrank und Bett an. Der Rest wird übermalt. Mit Weiß. Das wird hell und schön, meint Jelly.
    Mal schauen. Ich bin immer noch skeptisch. Besonders, wenn ich an die Reaktion meiner Eltern denke. Doch als ich den ersten Pinselstrich setze, überkommt mich ein richtiges Hochgefühl. Mit einem Mal ist nichts mehr daran falsch. »Du hast recht!«, kichere ich, und Jelly schaltet den CD-Player ein. Zu Lady Gaga aus der Soundbox beginnen wir Bett und Kasten in ein cremiges Weiß zu hüllen.
    Nach Stunden sind wir fertig. Der Lack stinkt bestialisch, doch zum Glück weht der heiße Sommerwind zu den offenen Fenstern herein und trocknet die Farbe, die bald darauf nur noch ein kleines bisschen in der Nase beißt. Vorsichtig lösen wir das Abdeckband von den Rosetten.
    »Mensch, sind wir gut«, rufe ich, als wir unser Werk betrachten. Obwohl wir noch nicht fertig sind, sieht das Zimmer jetzt schon ganz anders aus. Richtig mädchenhaft – im positiven Sinne, versteht sich! Hell und schön. Wie es Jelly vorausgesagt hat. Die Rosetten aus dunklem Holz am Kopfende des Bettes und auf der Vorderseite des Schranks heben sich wunderbar vom cremigen Hintergrund ab. Richtig romantisch wirkt das. Und auch wenn unsere Pinselstriche den Lack nicht gerade

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