Funkensommer
gekauft«, antworte ich ruhig.
Papa funkelt mich an. »Das ist aber noch lange kein Grund, Antiquitäten zu versauen. Die waren ein Vermögen wert!«
Das habe ich wirklich nicht gewusst.
»Oh«, antworte ich überrascht, was die Stimmung nicht wirklich hebt.
»Das bringst du wieder in Ordnung«, befiehlt Papa daraufhin.
»Was?«, rufe ich. »Sicher nicht. Das ist eine Heidenarbeit gewesen. Wenn Jelly mir nicht dabei geholfen hätte …«
Papa beginnt zu schnauben. »Das war ja klar, dass Jellena an der ganzen Sache beteiligt gewesen ist. Die kleine Göre tanzt ihrer Mutter ja auch auf der Nase herum, so wie sie will! Kein Wunder ohne Vater …«
»Tut sie überhaupt nicht«, zische ich. »Und wenn du glaubst, dass ich das Zimmer wieder in ein Oma-Zimmer zurückverwandle, hast du dich getäuscht!« Wütend springe ich aus dem Bett und baue mich vor Papa auf. »Ich bin kein Kind mehr, falls du das noch nicht bemerkt haben solltest!«
Papa sieht mich entgeistert an. Zähe Sekunden verstreichen, während er nach Luft schnappt, aber keinen Ton rausbringt. Noch einmal wagt er einen Blick auf Gnist und Sommar, dann auf mich und rauscht zur Tür hinaus.
Ha! Eins zu null für mich!
Zurück bleibt Mama. »Du hättest vorher fragen sollen«, sagt sie vorwurfsvoll. »Du weißt doch, wie sehr Papa an Oma gehangen hat.«
»Wenn ich gefragt hätte, dann hättet ihr sowieso nein gesagt«, murre ich.
Mama sieht mich nachdenklich an. »Wahrscheinlich«, gibt sie nach einer Weile zu. Sie wirft auch einen Blick auf Gnist und Sommar und verschwindet dann aus dem Zimmer.
Später beim Mittagessen ist die Stimmung immer noch geladen. Wie das Wetter. Drückend. Heiß. Stickig.
Papa schweigt, während er lustlos im Dinkelvollkornnudelsalat herumstochert. Über ihm hängt am Bauernkalender der heutige Spruch des Tages: Im Juli, heiß und schwül, braucht’s der Bauer kühl.
Haha, sehr weise, denke ich mir und schaue lieber zu Mama rüber, die aber auch nur schweigt. Und Raphael sagt ohnehin nie viel. Dafür grinst er mir ausnahmsweise mal zu. Vor Schadenfreude. So ein Arsch! Ich schleudere ihm einen giftigen Blick über den Mittagstisch zu, doch Raphael ist das egal. Gut gelaunt dreht er das Radio lauter, weil soeben der Wetterbericht angesagt wird: »… im Westen wird es in den Abendstunden ein Gewitter geben, teils mit heftigen Regenschauern, die über Nacht abklingen. Morgen folgen wieder Rekordtemperaturen bis zu 34 Grad …«
»Verdammtes Wetter«, knurrt Papa. »Der Weizen ist fast fertig. Wenn jetzt ein Unwetter kommt, knickt er ein und die halbe Ernte ist hin. Ist eh kaum was an den Ähren dran. Die letzten Wochen sind viel zu trocken gewesen.«
Raphael schaut Papa an und meint: »Glaubst du nicht, dass der Weizen schon reif ist? Als ich vorhin zum Mittagessen nach Hause gefahren bin, habe ich gesehen, wie einige Bauern die Weizenfelder schon abernten.«
Papa kratzt sich nachdenklich am Kopf. Dann geht er zum Telefon. Als er wiederkommt, hat er noch schlechtere Laune als vorher. »Der Hans ist für heute schon ausgebucht. Er kann frühestens morgen Nachmittag zum Mähdreschen kommen. Kommt darauf an, wie viel es in der Nacht regnen wird.« Und mit Grabesstimme hängt er dran: »Dann musst du wieder mit der Getreidefuhre fahren, Hannah.«
Ich nehme Papa ins Visier. »Aber nur, wenn die Möbel so bleiben, wie sie sind!«, verlange ich laut. Der Satz kostet mich unglaubliche Überwindung, aber nicht so viel, als wenn ich mein Zimmer wieder hergeben müsste.
Raphaels Grinsen fängt zu bröckeln an. »Aber die fährt doch wie eine Schnecke! Das wird nie was!«
Papa antwortet nicht gleich. Träge stülpt er sich den Stallhut über den Kopf. »Dann muss sie halt lernen, schneller zu fahren«, sagt er. »Geht ja nicht anders.« Dabei wirft er einen flüchtigen Blick auf Raphael, und ich sehe ihm förmlich an, wie sehr er sich wünscht, Raphael wäre wieder einsatzfähig. »Das Möbelabschleifen hätte sowieso nicht funktioniert«, murrt er schließlich, schlägt die Tür hinter sich zu und stiefelt davon. Raphael knallt seine Gabel auf den Tisch und rückt mit gleichem Karacho ab. Übrig bleiben Mama und ich. Doch während sie einen abgrundtiefen Seufzer ausstößt, macht mein Herz einen Freudensprung, weil ich endlich das Gefühl habe, von meiner Familie wahrgenommen worden zu sein. Auch wenn ich dafür mit dem beschissenen Monsteranhänger fahren muss – die Möbel bleiben. Und das fühlt sich richtig gut
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