Funkensommer
das Bodenbearbeitungsgerät zu reparieren.
Dann steht Gülle-Ausbringen auf dem Programm. Das ist eine ziemlich mistige Sache. Ausgerechnet vor einem Date. Ich werde nachher ein Vollbad brauchen. Mit extra viel Schaum, um den Gestank loszuwerden, der sich innerhalb kürzester Zeit in jede einzelne Pore meines Körpers hineingefressen hat.
Doch als mich Jelly anruft, ist es schon spät.
»Wirklich? Du bist immer noch auf dem Feld?«, klagt sie. »Jetzt beeile dich aber mal. Wir wollen uns nämlich schon früher treffen und vorher eine Pizza essen. Bei diesem neuen Italiener, der erst kürzlich in der Innenstadt eröffnet hat.«
»Was?«, rufe ich. »Ihr wollt euch jetzt schon treffen?«
Meine Freundin brummt durchs Telefon. »Eigentlich schon. Aber egal. Schau lieber, dass du wenigstens um sieben pünktlich an der Bushaltestelle bist. Und ich gebe derweil den Jungs Bescheid! Die Pizza verschieben wir dann auf ein nächstes Mal.«
»In Ordnung«, keuche ich, weil ich weiß, dass es selbst bis sieben Uhr knapp werden wird. Auch ohne Schaumbad wird es einige Zeit dauern, den penetranten Güllegeruch loszuwerden. Und das muss ich auf alle Fälle – denn mehr als die Schweinehand will ich Finn auf keinen Fall zumuten. Mir natürlich auch nicht. Und dem Kino sowieso nicht! Also heißt es jetzt: Gas geben! Im wahrsten Sinne des Wortes.
Als ich das nächste Mal zum Güllefass-Befüllen auf den Hof fahre, springe ich vom Traktor und laufe zu Papa, der gerade dabei ist, den Schlauch ans Fass zu stecken.
»Du Papa, ich kann nicht mehr weiterfahren. Ich muss los«, rufe ich.
Papa sieht mich irritiert an. »Wohin willst du denn?«
»Zu Jelly. Wir wollen heute ins Kino«, antworte ich und fühle prompt einen Anflug von Tomatensuppenfarbe auf dem Gesicht.
»Dann geht doch ein anderes Mal.« Papa zuckt mit den Achseln. »Heute muss das nämlich noch fertig gemacht werden.«
»Wie jetzt?«, sage ich fassungslos. »Ich darf nicht?«
»Die Gülle muss einfach noch ausgebracht werden, bevor der Regen kommt«, antwortet er.
»Aber ich hab euch doch schon die ganze Woche lang geholfen. Da werde ich wohl abends einmal mit meinen Freunden ausgehen dürfen!«
»Mach dir das lieber mit deiner Mutter aus«, sagt er und deutet zum Stall rüber.
Verwundert sehe ich Papa an. Was soll das? Habe ich irgendwas verpasst? Aber um keine Zeit zu verlieren, eile ich wortlos zum Stallgebäude. Mama verteilt gerade frisches Stroh in die Abferkelboxen, als ich reinkomme. Die Ferkel, darunter auch Brummer, freuen sich wie verrückt über die Einstreu. Mit ihren Rüsseln schnappen sie danach und wühlen darin. Tja, ein Schwein müsste man sein …
»Ist was?«, fragt Mama.
»Ich weiß nicht«, antworte ich patzig. »Papa meint, ich soll mit dir darüber reden!«
»Worüber denn?«
»Jelly und ich wollen heute ins Kino, aber Papa lässt mich nicht, weil ich mit der Gülle noch nicht fertig bin.«
Mama schaut mich nicht einmal an, als sie sagt: »Na und? Dann geht ihr halt morgen!«
»WAS?!«, schreie ich nun voller Wut, woraufhin Brummer und seine Geschwister mit dem Strohspiel aufhören und mich verdattert angrunzen.
»Schrei mich nicht an«, sagt Mama streng. »Zuerst die Arbeit – dann das Vergnügen! Soist das nun mal!«
Ich schlucke. Schwer. Damit habe ich nicht gerechnet. Jetzt fängt Mama auch noch mit den beschissenen Bauernregeln an.
»Ich habe euch die ganze Woche lang geholfen. Es ist Wochenende. Auch Raphael ist unterwegs. Nur ich soll zu Hause bleiben? Das ist nicht fair!«
Meine Mutter lässt das kalt. »Ich glaube, es schadet dir nicht, wenn du einmal zu Hause bleibst. Für meinen Geschmack bist du in der letzten Zeit ohnehin zu häufig unterwegs. Vor allem dieses Nach-Hause-Schleichen, nachts, wie eine streunende Katze …«, Mamas Blick wird stechend, »… schmeckt mir nicht!«
Sofort explodiert ein Eimer Tomatensuppenfarbe auf meinem Gesicht. Läuft über meine Wangen, bis hin zur Nasenspitze. Weiß meine Mutter etwa Bescheid? Das kann nicht sein! Ich war doch immer vorsichtig. Aber was wird hier sonst gespielt? Ich helfe meinen Eltern, wo ich nur kann. Niemals bedanken sie sich. Und was bekomme ich dafür? Hausarrest? Damit ich zu Hause arbeiten kann – und Raphael, das unberechenbare Arschloch, darf alles?
»Es wäre gescheiter, ihr würdet Raphael das Fortgehen verbieten. Aber das kriegt ihr natürlich nicht mit, dass er sich in der Zwischenzeit zum Schluckspecht gemausert hat«, fauche ich.
Da dreht sich
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