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funny girl

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Titel: funny girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony McCarten
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war sie zwei Tage zuvor mit zwei Freundinnen zu McDonald’s gezogen, und alle drei Mädchen waren vor dem Heimgehen ein Dutzend Mal die röhrenförmige Rutschbahn hinuntergesaust; damit hatten Döndüs Eltern ihr einen sehnlichen Wunsch erfüllt. Doch jetzt war es an der Zeit, Döndü für den Schleier vorzubereiten.
    Genau wie seinerzeit Azime blieb Döndü keine Wahl: Auch sie musste für eine einmonatige Probezeit das Kopftuch anlegen. Wenn sie nach vier Wochen, am Ende des Ramadan, den Hidschab wirklich nicht weiter tragen wollte, dann durfte sie darum bitten, von dieser Verpflichtung befreit zu werden. Trotzig wie sie war, hatte Döndü keinen Zweifel daran gelassen, dass sie diesen einen Monat durchstehen würde, aber nicht einen einzigen Tag länger.
    Ein Dutzend gestandener Frauen hatte sich zu der zeremoniellen Übergabe des Kopftuchs versammelt. Der Lärmpegel stieg.
    Das quadratische Stück Stoff wurde Döndü überreicht, und als man es ihr um den Kopf legte, machte sie ein Gesicht, als wolle sie alle ermorden; doch sobald das Tuch an Ort und Stelle war, erlag sie dem Lob und den Segenswünschen, die von allen Seiten auf sie einströmten. Wie die alten Frauen gurrten, wie sie sie streichelten und bewunderten und mit Komplimenten überhäuften, wie sie ihr einen goldgerahmten Spiegel vorhielten, zum Beweis dafür, dass das Kopftuch sie keineswegs hässlich machte, sondern ihre Schönheit vielmehr steigerte, betonte, noch besser zur Geltung brachte. Döndüs Todeszellenmiene hielt dem sanften Beifall nicht stand, und auf dem straff eingerahmten Gesicht zeigte sich ein Anflug von einem Lächeln. Als ihr Vater dann endlich ins Zimmer kommen durfte und sich seine alten Augen jäh mit Tränen füllten, während er starr vor Bewunderung im Türrahmen stand, als er die Arme ausbreitete, um Döndü an sich zu drücken, da erhellte, all ihrem aufrichtigen Bemühen um ein mürrisches Aussehen zum Trotz, ein strahlendes Lächeln ihr Gesicht. Aristot umarmte sie fest, flüsterte ihr kurdische Segenssprüche ins Ohr, und Döndü, auch wenn sie sich noch so modern gab, zeigte wieder einmal ihre größte Schwäche: Sie genoss es so sehr, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, dass sie für eine Bühne und ein bisschen Rampenlicht jederzeit ihre aufkeimenden politischen Überzeugungen und ihren aufkeimenden Feminismus verraten hätte.
    »Was machst du da?«, fragte Azime ihre kleine Schwester bei der ersten Gelegenheit.
    »Wie? Was?«
    »Du findest das toll.«
    »Nein, tu ich nicht.«
    »Tust du doch. Du kleine Schleimerin. Schau dich doch an.«
    »Ich muss es einen Monat lang tragen, sagt Baba.«
    »Wenn du’s länger trägst, versuchen sie’s bei mir auch wieder. Und meine ganze harte Arbeit ist für die Katz.«
    »Nach dem einen Monat nehm ich’s ab. Länger trag ich den Hidschab auf gar keinen Fall.«
    »Wenn du es willst, bitte schön.«
    »Ich will es doch gar nicht.«
    »Dann sag’s ihnen.«
    »Hab ich schon.«
    »Dann sag’s ihnen immer wieder.«
    Als Zeichen schwesterlicher Solidarität fing Döndü nun an, all die, die sie drücken und umarmen und ihr Geschenke geben wollten, zu erinnern, dass mit dem Ramadan auch ihr Monat unter dem Kopftuch enden würde. Den Frauen verdarb sie damit trotzdem nicht die Feiertagsstimmung, denn die waren alt und erfahren genug, dass sie solche Versprechungen schon oft gehört – und auch gesehen hatten, wie sie gebrochen wurden. Also hatten sie gelernt, sie zu ignorieren. Döndü war die Art von Mädchen, die nachgeben würde, und sogar mit Freuden. Alles würde gut enden.
    Azime erinnerte sich an ihren eigenen Probemonat unter dem Schleier, damals als sie in Döndüs Alter war. Sie wusste genau, was Döndü in den nächsten vier Wochen erwartete: die kleinen Anreize, das Extralob, die Anerkennung und Aufmerksamkeit anderer Muslime, die Lockerung bestimmter Regeln zum Ausgleich für die strengeren Kleidungsvorschriften.
    Aber die größte Verlockung würde das Gefühl sein, einer Gemeinschaft anzugehören, ein Gefühl, das sie bis dahin noch nicht so recht kennengelernt hatte. Azime erinnerte sich, wie sie sich damals gefühlt hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie nichts von dieser Art von Geborgenheit gewusst, nicht einmal, dass man sich danach sehnen konnte. Aber als sie dann die wohltuende Wirkung spürte, so rein, so ehrlich, so aufrichtig, ja beinahe erhaben, da war es ihr beinahe unmöglich, geradezu unsinnig vorgekommen, dieser Verlockung zu widerstehen und

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