funny girl
ich dir denn bloß getan, Johnny?«
»Du hast die besseren Startbedingungen, und das ist unfair. Du kannst so schlecht sein, wie du willst, und wirst trotzdem Erfolg haben. Und das regt mich auf. Weil du ein Gag bist, etwas, was sie noch nicht kennen, eine Frau mit brauner Haut, Muslim und all das – noch nie da gewesen, da kriegst du alles, was du willst. Ich hingegen –«
»Ich bin doch bis jetzt nicht mal Komikerin. Und ich bezweifle, dass ich je eine werde. Warum bist du nur so…«
»…ich hingegen –«
»Warum fühlst du dich so bedroht? Wieso?«
»…ich hingegen muss –«
»Hau einfach ab!«
»…ich muss zum Brüllen komisch sein, sonst kann ich in der Ecke krepieren. Ich bin einfach nur neidisch. Eigentlich könnte man sagen, ich möchte gern du sein. Darf ich du sein? Darum wollte ich dich bitten. Azime, lass mich du sein!«
Seine Stimme wurde lauter, seine Halsmuskeln waren angespannt. Er stand bedrohlich nahe neben ihr, in einem grellbunten, karierten Hemd. Er wäre für jeden eine Herausforderung gewesen, und für sie war er weit mehr, als sie gerade verkraften konnte.
»Sei lieb«, sagte sie zu ihm. »Okay? Du weißt überhaupt nichts.«
»Eins weiß ich. Ich weiß, dass wegen euch der Vater von meinem Kumpel nie wieder laufen kann. Das weiß ich. Und ich weiß, dass dieser Mann von siebzig Jahren so viele Metallsplitter in seinem Körper hat, dass sie drüben in St. Mary’s auch jetzt noch, sechs Tage später, dabei sind, die mit Essstäbchen rauszupulen. Und sein Gesicht, das sieht gar nicht mehr gut aus und wird auch nicht mehr gut aussehen. Das immerhin weiß ich.«
»Das hat nichts mit mir zu tun.«
»Da hast du recht. Es tut mir leid. Manchmal drehe ich durch. Ich gehe jetzt nach Hause und fessle mich mit Handschellen an den Heizkörper.«
Seine Augen schleuderten Blitze, als er davonstapfte, zutiefst verletzt, wenn es denn vorstellbar war, dass jemand wie Johnny verletzt werden konnte. Ob er wirklich einen Freund hatte, dessen Vater bei den Anschlägen verwundet worden war? Wer wusste das schon.
Nach dem Kurs ging Azime mit Deniz nach Hause, immer noch schwer verwirrt von Johnnys Auftritt, und sie erklärte ihm, dass sie nicht mitmachen werde. Sie könne das nicht. Unmöglich. Es ging einfach nicht. Aber er antwortete, dazu sei es jetzt zu spät. Er habe sie schon gemeldet. Jetzt müsse sie auch mitmachen.
»Was?«, brüllte sie.
»Du hast es gehört. Ich hab’s den anderen gesagt. Nur keine Sorge. Du wirst ein Knaller, glaub mir.«
»Du hättest mich fragen sollen, Deniz! Was ist, wenn meine Eltern dahinterkommen?«
»Ich habe dich gefragt. Und jetzt sage ich’s dir. Aber mach, was du willst. Wenn du dein Leben lang Sofas verkaufen willst, dann nur zu.«
Wieder in ihrem Zimmer, betete Azime – sie verneigte sich auf ihrem Gebetsteppich. Es war 19 Uhr 16. Sie beendete das Gebet. Dann hörte sie ihr Handy. Ein kurzer Piepton – eine SMS von Deniz.
Will wirklich, dass du das machst.
Während der nächsten halben Stunde saß sie auf ihrem Bett und googelte berühmte Comedians, informierte sich über sie, las ihre Pointen. Aus was für einem Milieu kamen diese Leute? Was hatte sie dazu gebracht, das Lachen zu ihrem Beruf zu machen? Schließlich rief sie Deniz an. Sie erklärte ihm, dass sie immer noch fürchte, jemand könne sie erkennen, immer noch Angst habe, dass es Ärger in der Familie geben würde.
»Was ist mit meinem Namen?«
»Den änderst du. Das musst du sowieso tun. Bevor er auf Plakate kommt oder so was. Azime Gevaş ist ja nun wirklich bescheuert.«
»Danke.«
»Die meisten Comedians ändern ihre Namen. Meinst du, Robin Williams ist als Robin Williams auf die Welt gekommen?«
»Ist er.«
»Woher weißt du das?«
»Hab ihn grade gegoogelt. Und Eddie Murphy war Edward Murphy.«
»Woody Allen?«
»Ja, okay, der hatte einen superjüdischen Namen. Aber Les Dawson war von Anfang an Les Dawson. Bob Hope hieß Leslie Hope, aber das kann man ihm nicht verdenken, dass er nicht Leslie heißen wollte. Bill Cosby war Bill Cosby. Billy Connolly. Joan Rivers. Ronnie Corbett. Jerry Seinfeld. Billy, Ronnie, Jerry… Das Einzige, was sie machen, ist einen i-Laut am Ende anfügen. Dann klingt es netter. Du hast aber auch von nichts eine Ahnung, Deniz.«
»Wie wär’s mit einfach Azime? Einfach nur ›Azime‹. Wie Prince. Wie Madonna. Wie Adele.«
Am nächsten Morgen herrschte große Aufregung. Döndü war neun geworden. Anlässlich ihres Geburtstags
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