funny girl
faszinierend Deniz auch war, er machte alles nur noch schlimmer. Wollte sie überhaupt brennen? Jedenfalls nicht in diesem Augenblick. In diesem Augenblick, als Deniz’ Auto vor dem Restaurant hielt, wo ein hoffnungsvoller Heiratskandidat auf sie wartete, wollte sie genau das Gegenteil, sich im Dunkeln verstecken, ein unsichtbarer Niemand werden, und die Idee, ein Niemand zu sein, frei von jeglichem Erwartungsdruck, kam ihr nicht nur durch und durch anständig, sondern wie ein höchst erstrebenswerter Luxus vor.
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AZIME : Hallo. Ich heiße Azime. Einfach nur Azime. Wie Madonna. Wie Adele. Wie Herpes… ein Wort sagt alles. (Schweigen.) Ich bin Komikerin. (Schweigen.) Ich wusste doch, dass euch das zum Lachen bringt.
Azime kam auf die Bühne, und die Leute japsten hörbar, als sie sahen, dass sie eine Burka trug – von Kopf bis Fuß in dieses Gewand eingehüllt war, so dass nichts von ihr zu sehen gewesen wäre, wären da nicht die beiden rechteckigen Ausschnitte für die schwarz getuschten Augen gewesen, Augen, die zu fast jeder verängstigten jungen Frau hätten gehören können, die sich plötzlich an einem Ort wiederfand, an den sie eindeutig nicht gehörte.
Gerade hatte der Conférencier die Zuhörer auf sie vorbereitet, hatte ihnen gesagt, dass sie jetzt etwas Ungewöhnliches erwarte, etwas noch nie Dagewesenes, dass jetzt eine Muslimin auf die Bühne komme, und ihr Name sei Azime, und sie sei die absolut erste muslimische Bühnenkomikerin weltweit.
Eigentlich hatte Azime sich den Leuten einfach als sie selbst vorstellen wollen, einfach als Azime. Doch jetzt ächzte sie unter der Last dieser Ansage, der Erwartung, dass sie die Krönung von Jahrhunderten der Frauenbewegung sei. Das hauptsächlich muslimische Publikum starrte sie nur an. Es war mucksmäuschenstill.
AZIME : Jeder hat ein dunkles Geheimnis. Mein dunkles Geheimnis? Na gut, wenn Sie es nicht weitersagen… Ich bin Jungfrau. Richtig. Eine waschechte Jungfrau. Ich weiß, Nichtmuslime denken bei Jungfrauen und Islam nur daran, dass im Himmel Jungfrauen auf die Gläubigen warten, aber hier in Nordlondon gibt es auch jede Menge davon.
(Hier geht nichts, dachte sie. Und jetzt kam auch noch der Teil ihrer Nummer, an dem sie am meisten zweifelte. Schon jetzt wurde sie unter ihrer Burka rot.)
Ich bin eine vollkommene Jungfrau, und das schließt – Achtung, das ist jetzt eine wichtige Botschaft für die Schwestern in Green Lanes –, das schließt die andere Stelle mit ein. Ihr werdet es vielleicht nicht glauben, aber ich habe an meiner alten Schule gehört, wie sich Mädchen, die Jungfrauen bleiben wollten, einredeten, die andere Stelle sei okay. Dass sie auf dem göttlichen Hur-O-Meter nicht zählt. Wie kann das sein?
(Sie beugte sich vor.)
Steck ihn rein. Aber nur in den Hintern, nur in den Hintern, ich bin ein gutes Mädchen. Nur in den Hintern.
(Einige Leute lachten laut, aber nicht sehr viele.)
Denkt mal darüber nach, Mädels: Anständige Mädchen beginnen ihr Sexleben nicht mit Analverkehr. Nennt mich altmodisch, aber fragt euch mal selbst. Was würden eure Großmütter sagen? Wären sie stolz auf euch? Sorry, aber wenn ihr euer Sexleben mit Analverkehr beginnt, dann ist das so wie ein Curry zum Frühstück. SO FÄNGT MAN DEN TAG EINFACH NICHT AN .
(Jetzt lachten schon mehr Leute. Allmählich tauten sie auf.)
Egal… Jedes Mal, wenn ich mich weigere, mit einem Jungen zu schlafen, und das tue ich immer, danke, Oma, dann sagen die, ich wäre eine Lesbe. Eine Lesbe. Aber ich könnte niemals eine Lesbe sein. Na ja, ich kann mir vielleicht vorstellen, fünfzig Prozent von dem zu machen, was Lesben so tun, versteht ihr, was ich meine?
(Vereinzeltes, peinlich berührtes Kichern aus dem Publikum.)
Alle Mädchen können Lesben sein, bis sie drankommen. Versteht ihr, was ich meine?
(Schweigen.)
Doch, wie gesagt, ich bin sexuell nicht aktiv. Bis ich einen Ehemann habe, bin ich auf dem Gebiet sozusagen im Schlummermodus, aber wenn er dann auf die Leertaste drückt, geht’s los.
Gedanken an Sex helfen logischerweise nicht gerade dabei, Jungfrau zu bleiben. Also versuch ich, es bleiben zu lassen. Was aber praktisch ein Ding der Unmöglichkeit ist. Es ist, wie wenn man jemandem sagt, vergiss das, dann vergisst er’s garantiert nie wieder. Wenn ich merke, dass ein Gedanke an Sex in mir hochkommt, dann denk ich sofort an etwas anderes, zum Beispiel an ein Sandwich. Der Trick mit dem Sandwich funktioniert bei mir fast immer. Ich stelle mir dann
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