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Furchtbar lieb

Furchtbar lieb

Titel: Furchtbar lieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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konnte nichts sehen. Dann löste ein Luftzug den Dampf ein wenig auf, und ihr Gesicht erschien vor mir.
    Ich schrie.
    »Scheiße, tut mir leid, Kriss«, sagte Kyle. »Ich dachte, du seist tot. Ich habe eine Ewigkeit geklopft.«
    Ich griff nach einem Handtuch.
    »Du hast Blut am Kopf!«
    »Ach, ich bin hingefallen. Es ist nichts weiter.«
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Nein, ist es nicht, und das weißt du auch.«
    Ich begann zu weinen. Kyle setzte mich auf einen Stuhl und legte seinen Arm um mich.
    »Hör zu. Es ist vorbei, seit langer, langer Zeit. Wir wussten es beide. Wir haben seit Monaten nicht miteinander geschlafen. Ich weiß, dass die Situation furchtbar ist, aber es musste so kommen.«
    Ich weinte laut, aber er ließ sich nicht beirren.
    »Du verstehst es nicht«, setzte ich an.
    »Doch, ich verstehe. Voll und ganz. Ich glaube, dass ich dich schon seit Jahren liebe. Vielleicht liebe ich dich sogar seit dem Moment, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Erinnerst du dich daran? Du hast eine schwarze Fischermütze getragen.«
    Ich griff nach der halben Flasche Wein von letzter Nacht und schüttete sie mir in die Kehle.
    »Kannst du mir mehr besorgen?«, fragte ich.
    Er rannte nach unten, und es dauerte kaum eine Minute, bis er wieder da war.
    Ich lag auf dem Bett, als er zurückkam – nicht mit dem Wein, um den ich ihn gebeten hatte, sondern mit Wodka. Sextreibstoff.
    Ich kippte den Wodka hinunter und nahm einen zittrigen Atemzug. »Sarah …«, setzte ich an.
    »Sie wird ins Ferienhaus gefahren sein«, sagte er vor mir stehend. »Letzte Nacht ist sie weggegangen und nicht wiedergekommen – hat nicht mal ihr Gepäck mitgenommen. Es gibt nichts, was wir tun könnten.«
    »Ich muss mit dir sprechen«, sagte ich, aber er legte mir einen Finger auf die Lippen und setzte sich neben mich aufs Bett.
    »Sie wollte Schluss machen. Diese Reise war ein allerletzter Versuch. Es war meine Idee … wie blöd von mir! Wir sollten uns also nicht schuldig fühlen. Wir sollten erleichtert sein. Ich bin erleichtert.« Er legte seine Hand zärtlich auf meine Wange.
    »Kyle, du verstehst nicht. Du musst jetzt gehen.«
    »Nein, muss ich nicht.« Er schob das Haar aus meinem Gesicht.
    Ich stieß seine Hand beiseite.
    »Hey«, sagte er und spielte schon wieder mit meinen Haaren: »Es ist alles in Ordnung.«
    »Kyle, hör auf damit!«
    Er fiel fast vom Bett, so heftig stieß ich ihn beiseite.
    »Herr im Himmel«, sagte er und stand auf.
    »Lass mich einfach in Ruhe!«, schrie ich.
    Er stand da und sah mich an, erst erstaunt, dann erleuchtet. Mit dünner Flüsterstimme sprach er es aus: »Derek hatte recht. Ihr seid verdammt noch mal alle gleich.«

[Menü]
    Kapitel zweiundzwanzig
    Kyle saß in dem Doppelzimmer, das neben Krissies Zimmer lag, und weinte. Er war sich nicht ganz sicher, worüber er weinte, aber er hatte mehrere Optionen.
    Seine Ehe war am Ende.
    Er hatte seine Frau verletzt, ohne es zu wollen.
    Er hatte sich dazu hinreißen lassen, etwas mit einer ihrer ältesten Freundinnen anzufangen.
    Und er war außerstande, an den vorgenannten Punkten etwas zu ändern.
    Kyle war schon als Kind dazu erzogen worden, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Als Kleinkind hatte er viele Abende auf der zweiten Treppenstufe des ziemlich großen Stadthauses gesessen, das seine Familie im West End besaß, und gelernt, seine Gefühle zu kontrollieren. Als Jugendlicher hatte er viele wache Nächte im Schlafsaal seines Internats damit verbracht, sie zu kontrollieren. Und als Ehemann hatte er sie so lange kontrolliert, bis sie verschwunden waren.
    Das Weinen war eine Erleichterung, aber er hatte nicht den wonnigen Gesichtsausdruck einer erfahrenen Heulsuse, und als er sein Bild im Spiegel sah, gefiel ihm nicht, was er sah, und er entschloss sich, seine Aufmerksamkeit auf Belange zu richten, die er kontrollieren konnte. Er trocknete sich die Augen und hob den Telefonhörer ab.
    »Mutter, kann ich eine Weile bei euch wohnen?«, fragte er, und irgendwie beruhigte ihn die Vorstellung seiner Mutter am anderen Ende der Leitung – einer gutgekleideten Frau, die in ihrem ziemlich großen Stadthaus im West End eine Tasse Tee schlürfte.
    »Natürlich, Kyle. Ist alles in Ordnung?«
    »Ja, alles bestens«, antwortete Kyle, und seine Mutter stellte keine weiteren Fragen, denn auch sie verwahrte ihre Gefühle an einem fest verschlossenen Ort.
    Beide waren erleichtert, als das Gespräch vorüber war, und beide standen auf, seufzten einen kurzen,

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