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Furchtbar lieb

Furchtbar lieb

Titel: Furchtbar lieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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die Hölle.
    Als das Taxi seinen Weg durch Glasgow nahm, erinnerteKrissie alles an Sarah. Sie sah Sarahs Gesicht in jedem Schaufenster, an jeder Bushaltestelle. Sie sah es in dem Gemeindesaal, wo sie als junge Pfadfinderinnen gewesen waren, in dem Park, wo sie zu zweit auf der Wippe gesessen hatten, an der Frittenbude, wo sie ihre Pommes in Currysoße ersäuft hatten, in dem Krankenhaus, wo Sarah gearbeitet hatte, in der Straße, wo Sarah aufgewachsen war. Sarah. Die Freundin, von der sie geglaubt hatte, dass sie sie immer haben, immer lieben werde. Die Freundin, die sie getötet hatte.

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    Kapitel dreiundzwanzig
    Als das Taxi mich vor dem Haus meiner Eltern absetzte, dem sicheren Hafen meiner Kindheit, und meine Mutter fragte: »Was ist passiert, Liebling? Warum bist du schon zurück?«, da wäre es fast aus mir herausgeplatzt: »Mum, ich bin nachhause gekommen, weil ich Sarah umgebracht habe!« Zum Glück passierte das nicht. Zum Glück sagte ich: »Ich habe Blasen und bin gestürzt, und wir haben uns zerstritten!« Dann fragte ich: »Wo ist Robbie?«
    Mum warf mir einen irritierten Blick zu, so wie es jeder an diesem Tag getan hatte, und sagte dann, ich solle mich beruhigen.
    »Robbie schläft …«, sagte sie. »Endlich. Sei nicht beunruhigt, Krissie, aber er ist noch nicht ganz wiederhergestellt.«
    Meine Mutter hatte Robbie in der Nacht zuvor nach einem langen Abend unruhigen Weinens ins Krankenhaus gebracht. Man hatte eine Ohreninfektion festgestellt und Paracetamol und Antibiotika verschrieben. Er würde bald wieder gesund sein, wenn wir das Fieber niedrig hielten, und wenn er die Antibiotika regelmäßig nahm. Ich stürmte in mein altes Kinderzimmer im ersten Stock. Robbie lag in seinem Kinderbett in der Mitte des Raumes und schnaufte laut. Sein Mund stand offen, und sein Gesicht war gerötet. Ich fühlte seine brennendheiße Wange und rannte wieder nach unten.
    »Warum hast du mich nicht angerufen und es mir gesagt?«, schrie ich meine Mutter an. »Herrje, ich bin seine Mutter! Ich wäre zurückgekommen.«
    »Pssst, Krissie, du weckst ihn auf, Liebes!«, sagte mein Vater und schloss die Tür zum Wohnzimmer.
    »Wir haben versucht, dich anzurufen, Kleines. Du bist nicht drangegangen.«
    Ich hatte seit Langem keinen Wutanfall mehr gehabt. Ich hatte nicht mit den Füßen aufgestampft, meine Fäuste geballt und geschrien. Diesmal ließ ich allen kindischen Anschuldigungen freien Lauf. Ich warf ihnen vor, dass sie kein Vertrauen in mich hätten, dass sie glaubten, ich würde ihn nicht verdienen.
    Dann sammelte ich Medikamente und Kleidungsstücke ein, und als er (zwangsläufig) aufwachte, rief ich ein Taxi.
    Man nennt das Projektion. Während ich mich des Ehebruchs und des Mordes schuldig gemacht hatte, waren meine Eltern schuldig, weil sie mich nicht früh genug zurückgerufen hatten, um Ehebruch und Mord zu verhindern. Besser, ich konzentrierte mich auf ihre Schuld statt auf meine, hatte mein Unterbewusstsein entschieden. Viel besser.
    Während ich auf mein Taxi wartete, sahen mich Mum und Dad mit besorgten Mienen an.
    »Bleib hier«, sagte mein Vater.
    Ich antwortete nicht.
    »Du bist in keiner guten Verfassung, Liebes«, sagte meine Mutter.
    Ich antwortete nicht.
    »Oder ich könnte mitkommen«, schlug mein Vater vor.
    »Das ist doch absurd, Krissie. Du bist völlig unvernünftig.« Meine Mutter wurde ärgerlich. Ich hatte Glück, dass das Taxi eintraf, ehe ihr Ärger meinem juvenilen Schweigen ein Ende setzte.
    Als das Taxi auf den Clydeside Expressway einbog, bemerkte ich, dass sich mehrere Fahrzeuge hinter uns ein Polizeiwagen befand, der ebenfalls die Auffahrt nahm. Er fuhr mit sechzig Stundenkilometern von der Brücke auf den Zubringer und schien uns dann auf der Clyde zu folgen, vorbei am Hafen mit dem alten Segelschiff, am Messegelände und an dem ausgebrannten Lagerhaus für Antiquitäten. Wir ließen drei Verkehrskreisel hinter uns, und alle Autos zwischen uns und der Polizei bogen ab.
    Wurde ich verfolgt?
    Mein Herz raste, als wir über die Dumbarton Road fuhren, dann die steile, von Mietshäusern gesäumte Gardner Street hoch. Ich warf einen verstohlenen Blick aus dem Rückfenster und sah, dass der Polizeiwagen auf der Dumbarton Road angehalten hatte und wartete.
    Ich zahlte, so schnell ich konnte. Dann stand ich mit Robbie vor dem Mietshaus, in dem ich wohnte, und der rote Sandstein ragte vor mir auf. Ich wollte da nicht hochgehen, aber als das Taxi wegfuhr, sah ich zu meinem Entsetzen, dass

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