Furchtbar lieb
Sozialarbeiterdialekt, den wir Jargonisch nennen, und anschließend war die Reihe an den drei Komiteemitgliedern, die nun wie die drei Juroren einer Castingshow ihre Entscheidungen treffen mussten.
»Ich habe meine Entscheidung getroffen, und …«
Lange Pause.
»… und ich möchte gern die Empfehlung aussprechen, dass das Kind zu seiner Mutter zurückkehrt. Außerdem sollte die Mutter einige freiwillige soziale Arbeiten verrichten, damit sie ihr Leben wieder in den Griff kriegt.«
Eine gleichlautende Empfehlung schloss sich an, ehe der Arsch-mit-Haartolle an der Reihe war. Er sah mich zum ersten Mal seit der Anhörung vor vierzehn Monaten an und sagte mit überraschender Sanftheit: »Das ist eine einstimmige Empfehlung: Robbie sollte bei seiner Mutter bleiben.«
Ich war so glücklich, dass ich ihn am liebsten umarmt hätte, diesen kleinen Softie, der seine Arbeit so gut und anständig verrichtete, ohne dafür bezahlt zu werden, und ich war drauf und dran, genau das zu tun, als der Berichterstatter am Ende des Tisches sagte: »Sie können Robbie bei Ihrer Freundin abholen, wann immer sie möchten.«
»Was?«
»Ihrer Freundin, Sarah McGibbon.«
»Sarah McGibbon?«
»Sie hat ihn gleich heute früh bei der Pflegemutter abgeholt.«
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Kapitel sechsunddreißig
Ich hyperventilierte den ganzen Weg zu Sarahs Haus. Sie war von mir betrogen, belogen, attackiert und lebendig begraben worden. Sie hatte ihrem Mann die Augen ausgestochen und seine Arme abgesägt. Und jetzt hatte sie Robbie. Was würde sie als Nächstes tun? Was würde sie mit meinem kleinen Jungen anstellen?
Vielleicht gar nichts, redete ich mir ein. Vielleicht gar nichts. Vielleicht würde sie liebevoll auf ihn aufpassen. Schließlich hatte sie immer schon ein Baby haben wollen.
»Seine Medikamente«, sagte ich. »Findet heraus, ob sie seine Medikamente mitgenommen hat!« Wenn sie Robbies Antibiotika und sein Paracetamol mitgenommen hätte, dann, schätzte ich, würde das auf die ihr eigene verkorkste Art zeigen, dass ihr immer noch an Robbies Wohlergehen gelegen sei.
Alle machten sich daran, herauszufinden, ob Sarah die Medikamente bei Robbies Pflegeeltern abgeholt hatte. Nach zwölf Anrufen und sieben Minuten fanden wir heraus, dass sie das nicht getan hatte.
O Gott, dachte ich, sie hat gar nicht vor, für ihn zu sorgen.
***
Die Sturmtür zu Sarahs Doppelhaushälfte war abgeschlossen. In dem Sandsteinhaus brannten keine Lichter, und auf der Auffahrt stand kein Auto. Noch ehe wir hielten, öffnete ich die Autotür und rannte zu der Stelle, wo sonst der Ersatzschlüssel lag. Er war weg. Die Polizei trat die Tür ein. Niemand war im Haus. Ich sah in jedem einzelnen Zimmer nach, aber jedes sah leereraus als das vorige, und am allermeisten das Kinderzimmer, das Sarah bis ins kleinste Detail ausgeschmückt hatte. Kullertränchen – zwanzig Jahre alt, aber immer noch in makellosem Zustand – lag auf dem Kinderbett.
Ich hechtete zurück in den Polizeiwagen, und die Sirene ging an. Wo konnte sie hingefahren sein?
Zu ihrer Mutter?
Ihrem Vater?
Loch Katrine?
Dem Flughafen?
Wir rasten den Weg zurück, auf dem wir gekommen waren, und hielten mit quietschenden Reifen vor dem Haus von Sarahs Mutter.
Ich sprang hinaus und drückte auf den Klingelknopf mit dem Namen Morgan.
Keine Antwort.
»Scheiße.« Ich versuchte es noch einmal.
Kein Glück. Beim dritten Versuch …
»Ja?« Die Stimme, die ich hören wollte.
»Mrs. Morgan, hier ist Krissie Donald.«
»Krissie! Hallo.«
»Ich muss reinkommen. Es ist dringend.«
Der Summer ertönte, und ich schoss die Treppe in den dritten Stock hoch.
Sie öffnete ruhig die Tür.
»Ist Sarah da?«
»Nein.«
»Haben Sie etwas von ihr gehört?«
»Nein.«
»Hören Sie, Kyle ist tot, und sie ist mit meinem Baby verschwunden.«
»Du meine Güte!«, sagte sie. »Warum ich? Dieses Mädchen! Werde ich nie meinen Frieden haben?«
Ich hatte keine Geduld für ihr selbstsüchtiges Drama. »Mrs. Morgan, wenn Sie sie sehen, müssen Sie sofort den Notruf wählen!«
Die Polizei machte mehrere Anrufe während der Fahrt. Ein anderer Polizist sagte uns über Funk, dass Sarahs Vater betrunken in seiner Sozialwohnung liege und sie nicht mehr gesehen habe, seit er sie zwei Jahre zuvor um Geld gebeten habe. »Korinthenkackerin«, hatte er anscheinend gesagt, ehe er sich ein weiteres Glas Pennerfusel einschenkte.
Sie habe nicht versucht, das Land zu verlassen, teilte uns die Polizeidirektion mit. Sie hätten die
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