Furchtlos
es dann so offensichtlich, dass Sie mich hassen?«
»Es ist nicht leicht, mit einer lebenslangen Gewohnheit zu brechen.«
Ich möchte etwas über meinen Bruder erfahren, ich möchte wissen, was aus seinen Kindern geworden ist. Ich möchte alles erfahren, was meine anderen Freunde und Verwandten betrifft. Aber ich kann darüber nicht mit jemandem reden, der mich sein Leben lang gehasst hat und der mir diesen Hass so offen zeigt. »Zum Teufel mit Ihnen.«
»Da war ich schon.«
Geary wollte die Verbindung unterbrechen, doch dann warf er seinem Großneffen einen eisigen Blick zu. »Sehen Sie sich dazu in der Lage, meine Befehle nach bestem Können auszuführen?«
»O ja, dazu bin ich in der Lage.«
»Wenn ich sehe, dass Sie sich störrisch benehmen oder durch Ihr Handeln in irgendeiner Weise andere Schiffe in Gefahr bringen, werde ich Sie auf der Stelle Ihres Postens entheben. Haben Sie verstanden? Ob Sie mich hassen, ist mir dabei gleich.« Das war gelogen, und zweifellos wusste sein Gegenüber das auch, dennoch musste es gesagt werden. »Aber ich werde kein Verhalten tolerieren, das Schiffe oder Menschenleben gefährdet.«
Der andere Geary verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Ich versichere Ihnen, ich werde jeden Ihrer Befehle ausführen, als wäre Black Jack Geary höchstpersönlich mein Vorgesetzter.«
»Sagen Sie mir, dass das keine Redewendung ist.«
»Es ist eine Redewendung.«
»Ich weiß nicht, ob ich Sie jetzt noch mal zum Teufel schicken oder ob ich mich lieber erschießen soll.«
Das Lächeln wurde breiter. »Sie können es auch nicht ausstehen, wie?«
»Natürlich nicht.«
»Dann kann ich Ihnen vielleicht um Großvaters willen doch noch alles Gute wünschen. Es ist schwer, und vielleicht sogar noch schwerer, wenn ich sehe, dass Sie jünger sind als ich, doch von nun an werden Sie auch mit Black Jack Geary leben müssen.«
»Sie erwarten, dass ich versagen werde, richtig?«
»Scheitern ist ein relativer Begriff. Ich musste in meinem Leben ziemlich hohen Erwartungen gerecht werden, aber in Sie wird man noch viel höhere Erwartungen setzen.«
Geary nickte, was sowohl an ihn selbst als auch an seinen alten, verbitterten Großneffen gerichtet war. »Und Sie werden danebenstehen und zusehen, wie es mir nicht gelingt, die Erwartungen zu erfüllen, die man in einen Halbgott gesetzt hat. Das ist wohl nur gerecht. Ich habe noch zu arbeiten, und Sie ebenfalls.«
»Ja, Sir. Bitte um Erlaubnis, meine Arbeit wiederaufzunehmen. Wie Sie sicherlich wissen, wurde die Repulse im Gefecht schwer beschädigt.«
Nein, das wusste ich nicht. Ich muss in zu kurzer Zeit zu viel lernen. »Natürlich, Commander.« Geary unterbrach die Verbindung, dann saß er einen Moment lang da und sah auf den dunklen Monitor, ehe er wieder aufzustehen versuchte. Sein linkes Bein zitterte ein wenig, woraufhin er die Faust ballte und sich so fest auf den Oberschenkel schlug, dass er wohl einen blauen Fleck davontragen würde. Dann machte er sich auf den Weg zur Brücke der Dauntless, dankbar für die kleine Ablenkung, für die der anhaltende Schmerz in seinem Bein sorgte.
Die Matrosen, die die Gänge der Dauntless unmittelbar nach dem Gefecht bevölkerten, hatten sich inzwischen zum Teil an jene Orte zurückgezogen, an denen sie benötigt wurden, um das zu tun, was getan werden musste. Die noch verbliebenen Matrosen machten Geary wieder sofort Platz, doch etwas war anders an der Art, in der sie ihn ansahen. Ihre Gesichter spiegelten nicht nur die unerwünschte Ehrfurcht und Hoffnung wider, sondern auch eine gestärkte Zuversicht. Ob diese Zuversicht ihren eigenen oder Gearys Fähigkeiten galt, war nicht wichtig. Aber nun war er ihr Befehlshaber, und er musste jetzt in diese Gesichter blicken, wobei er versuchte, die gleiche Zuversicht auszustrahlen.
Die halbkreisförmige Brücke war nicht allzu groß geraten, doch gerade auf Kriegsschiffen ergaben großzügig gestaltete Räume keinen Sinn. Der Platz des Captains, der üblicherweise den Mittelpunkt einer jeden Brücke darstellte, war an den Rand gerückt, und gleich daneben hatte man einen weiteren Sessel im Boden verankert, dessen Rückenlehne mit der geprägten Flagge des Flottenkommandanten versehen worden war. Captain Desjani saß angegurtet auf ihrem Platz und betrachtete aufmerksam die virtuellen Anzeigen, die vor ihr in der Luft schwebten, während sie hin und wieder einen Befehl erteilte oder eine Frage an einen Offizier oder Unteroffizier richtete, die an den verschiedenen Stationen
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