Furien im Finstern
weiß zwar nicht, was in dem Testament drinsteht, aber was das Testament selber angeht, so ist es hundertprozentig echt. Ich erinnere mich genau an den Tag im Januar, an dem Mr. Milbers uns hier hereinrief. Paul wusch das Auto vor der Bibliothek. Erinnerst du dich, Paul? Du hattest es auf der Auffahrt geparkt, vor dem Fenster der Bibliothek, und wir hörten das Spritzen des Schlauches. Mr. Milbers ging zum Safe und nahm dieses Papier hier heraus. Er sagte, ich sollte sein Testament bezeugen, und ich sollte noch jemanden als zweiten Zeugen holen. Ich fragte ihn, wen, und er sagte, es wäre egal. Dann fragte er: >Ist das nicht Paul da draußen, beim Autowaschen?< Und als ich ja sagte, hieß er mich ans Fenster klopfen und ihn hereinwinken.«
»Stimmt haargenau«, bestätigte Paul. »Und als ich reinkam, sagte er, er wollte sein Testament machen und ich sollte als Zeuge unterschreiben. Ich habe dem keine große Beachtung geschenkt, da ich sowieso glaubte, für mich gäbe es keinen Cent.«
»Ich erinnere mich, daß du an dem Auto gearbeitet hast. Du hattest Schmiere an der rechten Hand«, sagte Josephine. »Es gab einen Fleck auf dem Papier. Und Mr. Milbers...«
Christopher Milbers schnappte nach dem Testament. »Da ist aber kein Fleck drauf!«
Mrs. Cranning schaute über seine Schulter. Einen Augenblick lang war sie wie vor Schreck erstarrt.
»Ein Schmierfleck macht noch kein Testament«, sagte Eva Hanberry. »Und vielleicht irrst du dich auch, Josephine.«
»Nein.« Josephine Dell war sich ihrer Sache sicher. »Es ist mir egal, ob es von Bedeutung ist oder ob jemand den Schaden davon hat, aber ich werde die Wahrheit sagen. Es gab einen Fleck. Wenn dieser Fleck nicht auf dem Papier zu finden ist, dann ist das Testament eine Fälschung. Laßt mich meine Unterschrift noch einmal sehen.«
»Einen Augenblick«, sagte Nettie Cranning. »Der Fleck ist bestimmt abgewischt worden.«
»Nein«, erklärte Josephine. »Ich habe ihn sofort mit einem Papiertaschentuch abzuwischen versucht, aber die Schmiere ging nicht ab...«
»Halten Sie das Papier gegen das Licht«, sagte Nettie Cranning. »So kann man es feststellen. Der Fleck muß ins Papier eingedrungen sein.«
Bertha drehte, den blauen Umschlag des Testaments zur Seite und hielt die zweite Seite gegen das Licht. Das Öl hatte einen Fleck von der Größe eines Zehncentstückes hinterlassen.
»Na, seht ihr«, stellte Josephine Dell erleichtert fest. »Ich wußte es doch ganz genau.«
»Und jetzt werde ich mal was sagen«, machte sich Bertha bemerkbar. »Ich hole einen Fotografen und lasse das Testament in unser aller Gegenwart kopieren. Ich glaube, soviel steht uns zu.«
»Ich persönlich«, sagte Mrs. Cranning mit der plötzlichen Würde einer Neureichen, die sich unbedingt wie eine Dame benehmen möchte, »ich persönlich halte das für einen angemessenen, ja bewundernswerten Vorschlag.«
Bertha Cool ging zum Telefon und wählte eine Nummer.
Während sie auf Antwort wartete, sagte sie: »Testamentszeugen können nichts aus diesem Testament erben, Mrs. Cranning.«
Nettie Cranning richtete sich noch mehr auf: »Wir werden nicht engstirnig sein. Eva, Paul und ich bekommen alles, was übrigbleibt, und wir werden es aufteilen, genau, wie Mr. Milbers es verfügt hat. Wir wollen keine Haare spalten wegen irgendwelcher juristischer Einzelheiten. Wir haben Harlow Milbers geliebt und werden dafür sorgen, daß sein Letzter Wille Wort für Wort ausgeführt wird. Nicht wahr, Eva?«
»Ja, Mutter. Selbstverständlich.«
9
Bertha Cool kam ins Büro marschiert. Bei Elsie Brand blieb sie stehen. »So ein verdammtes Pech.«
»Wollen Sie mir das nicht genauer erzählen?« erkundigte sich Elsie.
»Nein«, sagte Bertha. »Ich bin ein Pechvogel. Da habe ich mit einem Fall zu tun, in dem es Gold regnet, und ich sitze da mit einem Sieb ohne Boden. Jedermann schwimmt im Geld, nur Bertha Cool nicht. Wie ich diesen kleinen Giftzwerg vermisse. Wenn er hier wäre, würde er sicher eine Möglichkeit finden, doch noch diese Goldader anzuzapfen.«
»Eine Karte von ihm ist gekommen«, sagte Elsie. »Er ist in San Franzisko, und er wird drei oder vier Tage dort bleiben.«
»Sie meinen, Donald Lam ist in San Franzisko?«
»Ja.«
»Ich werde sofort hinfliegen und mit ihm reden.«
»Das hätte nicht viel Zweck«, sagte Elsie Brand. »Er schreibt, daß Sie ihn nicht sprechen können. Aber Post kann er empfangen.«
Berthas Kinnladen klickte energisch zusammen. »Gut, also werde ich dem
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