Furien im Finstern
vollständiger Inhalt des Testaments nicht von einer Person geschrieben. Wenn zweite Seite echt, hat jemand gefälschte erste Seite eingefügt. Dabei Gesamtsumme Erbteil Christopher Milbers höchstwahrscheinlich geändert. Es gibt zwei Möglichkeiten. Erstens: Milbers, bis auf 1 Dollar enterbt, fälscht erste Seite, um Erbteil auf 40 000 Dollar anzuheben. Zweitens: Milbers sollte ursprünglich viel mehr als 40 000 Dollar bekommen, deswegen Fälschung durch einen der übrigen Erben. Wenn zweite Seite des Testaments echt, muß erste Seite von jemandem mit Ausdrucksvermögen und flüssigem Stil gefälscht worden sein. Deine Beschreibung von Christopher Milbers entspräche solchem Typ. Hast Du Ursache von Harlow Milbers Tod untersucht? Anwesende nach Krankheitsbild fragen. Beste Wünsche zur Lösung des Falles.
Donald Lam.
16
Rechtsanwalt Walter A. Doolittle betrachtete die Fotokopie, die Bertha ihm gereicht hatte.
»Gehe ich recht in der Annahme, Mrs. Cool, daß Sie sich über die juristischen Folgen einer Fälschung informieren möchten?«
»Ja.«
Doolittle hielt die erste Seite des Testaments hoch. »Nehmen wir einmal an, daß diese Seite hier echt ist«, sagte er, »und daß die zweite Seite mit den scheinbar echten Unterschriften 'und der Zeugenklausel eine Fälschung darstellt.«
»Dafür gibt es keine Anhaltspunkte«, sagte Bertha.
»Verstehe. Trotzdem möchte ich das Problem von allen Seiten beleuchten. Es gibt zwei Möglichkeiten, ein Testament zu widerrufen. Eine davon ist die Vernichtung des Testamentes durch den Erblasser selbst. Aber, Mrs. Cool, eine unberechtigte Vernichtung durch andere Personen widerruft ein Testament in keinem Fall. Nehmen wir also an, daß die erste Seite des Testaments echt ist und die zweite Seite eine Fälschung. Mit anderen Worten, daß die erste Seite aus einem echten Testament genommen und die übrigen Seiten vernichtet und dafür eine gefälschte zweite Seite eingesetzt wurde.«
»Sie nehmen den Weg über den Ellenbogen, um zum Daumen zu kommen«, meinte Bertha. »Sie wiederholen lediglich, was ich schon längst gesagt habe. Nur eben in viele Worte verpackt.«
»Ich will sichergehen, daß Sie die Komplexität des, Falles verstehen.«
»Ich verstehe sie.«
»Nehmen wir also an, daß nur die erste Seite echt ist«, fuhr Doolittle fort. »Dann wurde das Testament vernichtet. Diese Vernichtung bedeutet aber keineswegs einen Widerruf. Der vollständige Inhalt des Testaments könnte nur durch eine beeidigte, unabhängige Aussage bewiesen werden, vorausgesetzt, wir können eine solche Aussage bekommen. Wenn die erste Seite des Testaments echt ist, ist sie auch der beste Beweis für den Inhalt der ersten Seite des vernichteten Testaments. Es braucht uns nicht zu kümmern, was in dem übrigen Testament steht, wenn wir bewiesen haben, daß diese erste Seite echt ist.«
»Anders gesagt, Christopher Milbers bekäme vierzigtausend Dollar, nicht wahr?«
»Stimmt genau.«
»Na schön, lassen Sie uns zur Sache kommen. Was ist, wenn die erste Seite eine Fälschung ist und die zweite Seite echt? Was viel eher der Fall zu sein scheint?«
»Unter diesen Umständen würde die Regelung ebenfalls Geltung finden. Die teilweise Vernichtung eines Testaments bedeutet nach unserem Recht keinen teilweisen Widerruf. Wiederum könnte die erste Seite des Testaments nur durch eine beeidigte, unabhängige Aussage bewiesen werden, oder durch eine mündliche Erklärung.«
»Und wenn auf der ersten Seite stand, daß Christopher Milbers vierhunderttausend Dollar bekommen sollte statt vierzigtausend? Könnte er sie trotzdem kassieren?«
»Wenn er beweisen kann, daß das im Original stand.«
»Und wenn wir beweisen können, daß die erste Seite eine Fälschung ist, aber nicht, was auf der echten ersten Seite stand?«
»Unter diesen Umständen würde, meiner Meinung nach, das ganze Testament nicht vollstreckt werden. Und zwar deshalb nicht, weil das Gericht keinerlei Möglichkeit hat zu wissen, wieviel von dem Vermögen des Erblassers durch die übrigen unbekannten Klauseln beeinträchtigt wurden. Leicht möglich, daß die erste Seite ein Dutzend verschiedener Legate enthielt.«
»Und wenn das Testament nicht vollstreckt wird?« fragte Bertha.
»Dann müßte ein früheres Testament Geltung finden, ausgenommen den Fall, daß es Anzeichen dafür gibt, daß der Erblasser durch eine feststehende Handlung einen Widerruf dieses früheren Testamentes bekundet hat. Es ist durchaus denkbar, daß Sie
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