Furien im Finstern
enger an Ihnen bleiben als ein Bruder. Bis wir alles aussortiert haben. Verstanden?«
»Ja, so viel habe ich mitbekommen.«
»Das ist alles, was Sie wissen müssen. Und jetzt machen wir uns auf die Socken. Wir werden hier verschwinden, sobald die Luft rein ist. Sie sind meine Mutter. Sie haben einen kleinen Gehirnschlag erlitten. Wir gehen ein wenig spazieren. Sie werden mit niemandem reden. Sollte uns jemand ansprechen, dann ist Ihre einzige Beteiligung an der Unterhaltung ein nettes Lächeln. Gehen wir.«
Bertha zupfte noch ein wenig an dem Kleid herum und nahm dann Koslings Arm. »Lehnen Sie sich an mich. Tun Sie nicht so, als ob ich
Sie führen müßte. Es muß aussehen, als stützte ich Sie nur. Ein Blinder wird geführt. Jemand mit schwachen Beinen wird gestützt. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Ich glaube schon. So richtig?«
»Nein. Sie machen sich nur schwer. Lehnen Sie sich etwas zur Seite. So. Prächtig. Gehen wir.«
Bertha führte Kosling durch die Tür, schloß hinter ihnen ab und sagte: »Wir sind hier im dritten Stock. Also müssen wir eine Treppe runter. Schaffen Sie das?«
»Ja, natürlich.«
»Das einzige, worauf Sie achten müssen, ist der Rock. Ich habe ihn so lang gemacht, daß der Saum fast den Boden berührt. Ich will nicht, daß die Leute Ihre Schuhe oder Hosenbeine sehen.«
»Ich dachte, Sie hätten meine Hosenbeine hochgekrempelt?«
»Habe ich auch. Und der Rock ist lang genug. Kommen Sie jetzt, und achten Sie auf die Treppe.«
Sie schafften die Stufen ohne Schwierigkeiten. Bertha ging den Gang entlang zum Aufzug, drückte auf den Knopf, und als der einzige Aufzug des Hotels klappernd ankam, sagte sie: »Vorsicht, Mutter. Paß auf, wenn du in den Lift steigst.«
Sie kamen ohne Zwischenfall in den Aufzug. Abgesehen davon, daß Kosling die breite Krempe seines Hutes nicht bedachte und sie an der Rückwand der Kabine zerdrückte.
»Fahren Sie langsam runter«, sagte Bertha zu dem Fahrstuhlführer.
Der lachte. »Dieser Aufzug kennt nur eine Geschwindigkeit, gnädige Frau. Und die ist langsam.«
In der Empfangshalle beobachtete der Empfangschef besorgt Berthas Mutter. Der Aufzugführer sprang zur Eingangstür und hielt sie offen. Bertha stellte sich so, daß ihr Rock den Blick auf Koslings Beine versperrte, half ihm in den Wagen und schloß die Tür. Dann schenkte sie dem Fahrstuhlführer ein Lächeln und ging um den Wagen. Sie stieg ein und fuhr los.
»Wohin?« fragte Kosling.
»Riverside«, sagte Bertha. »Wir werden dort in ein Hotel gehen und Zimmer mit einer Verbindungstür nehmen.«
Es wurde langsam dunkel. Bertha schaltete die Scheinwerfer an und fuhr langsamer. In Riverside suchte sie eines der älteren Hotels auf, schrieb sich als Mrs. Cushing nebst Mutter ein, bekam zwei Zimmer mit Verbindungstür und machte eine Zeremonie daraus, Kosling ins Zimmer zu bringen und es ihm bequem zu machen.
»Und jetzt«, sagte Bertha, »werden Sie schön hierbleiben, und wir werden miteinander reden.«
Nach einer Stande, als Kosling das Gefühl hatte, er habe alles erzählt, bestellte Bertha in einem nahegelegenen Restaurant zwei Abendessen. Eine Stande später ging sie zu einer Telefonzelle, rief das Hotel in San Bernadino an und sagte: »Hier ist Mrs. Cool. Was ich befürchtete, ist tatsächlich eingetroffen. Meine Mutter hat ein neuer Schlag getroffen. Ich werde meine Sachen jetzt nicht abholen können. Bewahren Sie bitte meinen Koffer auf. Meine Rechnung habe ich ja schon bezahlt, und Telefonkosten oder andere Ausgaben hat es nicht gegeben.«
Der Empfangschef versicherte ihr, daß er die Umstände bedauere und daß er zuversichtlich sei, ihre Mutter würde sich bald und völlig erholen. Bertha sollte sich keine Sorgen um ihre Habe machen.
Bertha dankte ihm, kehrte in das Hotel zurück und verbrachte die nächsten zwei Stunden damit, den Blinden weiter zu verhören. Sie kauten jedes Ereignis der vergangenen Woche durch, mit eintöniger Wiederholung, immer auf der Suche nach einer scheinbaren Nebensächlichkeit.
Kosling wurde müde und irritiert. »Ich habe Ihnen schon alles gesagt, was zu sagen war«, erklärte er mürrisch. »Jetzt gehe ich schlafen. Ich wünschte, ich hätte Sie nie gesehen und mich nie für dieses Mädchen interessiert. Um die Wahrheit zu sagen, sie...« Seine Stimme stockte.
»Was war das?« stürzte sich Bertha auf den unvollendeten Satz.
»Ach, nichts.«
»Was wollten Sie sagen?«
»Nichts. Ich bin nur etwas enttäuscht von dem
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