Furien im Finstern
ich es noch mußte. Eine besondere Ausbildung hatte ich nie. Ich konnte mich auch mit den Leuten, mit denen ich gern zusammen gewesen wäre, nicht richtig anfreunden.«
»Woher stammt Ihr Vermögen?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Machen Sie es so kurz wie möglich. Erzählen Sie.«
»Es gab da einen Mann, der immer sehr großzügig zu mir war. Er sagte, ich brächte ihm Glück. Er schenkte mir einige Anteile an einer Ölentwicklungsgesellschaft in Texas, steckte die Scheine einfach in meine Blechtasse. Ich habe sie nicht lesen können. Also habe ich ihm einfach geglaubt, was darauf stand, und bewahrte die Aktien auf. Um die Wahrheit zu sagen, ich habe die ganze Angelegenheit dann ganz einfach vergessen. Eines Tages suchte mich ein Mann auf. Er fragte, warum ich seinen Brief nicht beantwortet hätte. Na ja, auf jeden Fall kam heraus, daß sie Öl dort gefunden hatten. Viel Öl. Er machte mir ein Angebot für meine Aktien. Ich habe aber nicht verkauft. Ich zog es vor, sie zu behalten. Und es hat sich bezahlt gemacht. Jetzt beziehe ich ein regelmäßiges Einkommen. Da ich blind bin, fällt es mir nicht leicht, Schecks auszufüllen und ein Bankkonto zu führen. Auf jeden Fall ist es unbequem. Also trage ich das Geld bei mir. Es gibt mir ein gutes Gefühl. Wenn man körperlich nicht normal ist, dann gibt Geld einem ein Gefühl der Sicherheit. Eine dicke Rolle von Geldscheinen hebt die Moral.«
»Ganz recht. Aber kehren wir zu Bollman zurück.«
»Wir aßen früh zu Abend. Dann haben wir ein wenig gequatscht. Er sagte mir, daß das Mädchen, das ich besuchen sollte, nicht in der Stadt wäre. Er hätte eine Verabredung mit ihr getroffen, und er würde mich hinfahren. Mit dem Wagen würde es etwa zwei Stunden dauern. Ich habe mir weiter keine Gedanken darüber gemacht. Ich vertraute ihm und machte es mir in seinem Wagen bequem. Wir unterhielten uns.«
»Worüber?«
»Ach, eine Menge Dinge. Philosophie, Politik und so weiter.«
»Auch über den Autounfall?«
»Der wurde erwähnt.«
»Und die Arbeit, die ich für Sie erledigt habe?«
»Ja, flüchtig. Bis dahin hatte er mein Vertrauen erweckt.«
»Auch über die Geschenke, die Sie von Josephine Dell bekommen haben?«
»Ja. Die habe ich auch erwähnt.«
»Und dann?«
»Wir sind angekommen. Ich wußte nicht einmal, was für eine Stadt es war. Er sagte, er müsse telefonieren, ich sollte im Wagen warten. Also habe ich im Wagen gewartet. Er kam zurück und schien enttäuscht. Er sagte, es würde sehr wahrscheinlich spätabends werden oder sogar erst am nächsten Morgen. Etwas wäre dazwischengekommen. Es täte ihr sehr leid, und sie bäte mich um Verständnis. Dann hat
Bollman mir dieses Zimmer hier besorgt. Er sagte, er müßte arbeiten. Er würde mich am nächsten Morgen abholen.
Ich habe eine Uhr, auf der ich die Zeit feststellen kann. Ich nehme das Glas ab und fühle mit dem Zeigefinger die Lage der Zeiger. Es ist die einzige Möglichkeit für unsereins. Wenn ich einmal die Zeit nicht weiß, gerate ich ganz durcheinander. Ich weiß dann zum Beispiel auch nicht mehr, ob es elf Uhr morgens oder abends ist. Das sagt mir die Uhr nicht. Jedenfalls habe ich bis ungefähr neun Uhr früh geschlafen. Dann stand ich auf, zog mich an und wartete. Das Baden und Anziehen hatte mich einige Zeit gekostet. Dies ist ein fremdes Zimmer, und ich mußte herumtasten, bis ich alles im Kopf hatte. Es störte mich sehr, daß ich nicht wußte, ob das Licht brannte oder nicht. Ich konnte mich nicht erinnern, ob Bollman es ausgeschaltet hatte, als er wegging. Man stellt sich ungern zur Schau, und da ich nicht wußte, ob vielleicht gegenüber ein Zimmer war, von dem aus man hier hereinschauen konnte, habe ich ganz einfach die Rolläden herabgelassen. Nach einer gewissen Zeit wurde ich ungeduldig. Ich rief unten an und bat, sie möchten Bollman in seinem Zimmer anklingeln. Es gäbe keinen Bollman im Gästebuch. Das hat mir Sorgen gemacht. Ich esse normalerweise nicht viel, und das Abendessen vom vorigen Tag war recht üppig gewesen. Ich hatte noch ein belegtes Brot, als wir hier ankamen. Also habe ich kein Frühstück bestellt. Ich fand das Radio und stellte es an, hörte Musik. Ich muß dann eingenickt sein. Als ich aufwachte, habe ich angefangen, mir ernsthaft Sorgen zu machen. Dann kamen die Nachrichten im Radio, und ich hörte das mit Bollman. Ich wußte nicht, was ich tun sollte.«
»Haben Sie mich sofort angerufen?«
»Erst nach ein paar Stunden. Ich wußte einfach nicht,
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