Furor
Meter weiter mündete die Straße in eine Kreuzung, auf der etwas mehr Verkehr herrschte. Ein Bus hatte dort angehalten, aus dem jedoch niemand ausstieg. Hobbes überlegte, was er tun sollte. Ob Sareah schon weg war? War er zu spät? Das glaubte er nicht. Konzentriert versuchte er, irgendwelche Hinweise auf diese Typen zu finden. Wenn die Staatsschutz- und Irgendwas-Agenten vorhin losgefahren waren, dann steckten sie vermutlich trotz Blaulicht irgendwo im Stau. Hobbes wusste zwar nicht, wo die Zentrale der IS/STA lag, aber wohl kaum hier um die Ecke. Vielleicht hatte er noch ein wenig Zeit.
Er musste versuchen, eine Fluchtmöglichkeit vorzubereiten. Zusammen mit dem Überraschungseffekt konnte ein Auto in diesem Viertel Vorteile haben, zumindest bis zur nächsten Hauptverkehrsader, wo es dann zu Fuß schneller ging. Hobbes sah sich um und war zufrieden: Vor einer der Garagen stand ein Sportwagen, dessen Besitzer offensichtlich bereits bei 20 Grad Celsius ohne Dach über dem Kopf fuhr.
Hobbes näherte sich vorsichtig dem Cabrio. Der kleine Sprinter war außerhalb der Reichweite der installierten Überwachungskamerageparkt. Gut für ihn. Er schlenderte an dem Wagen vorbei und nahm ihn unauffällig unter die Lupe. Ein Modell aus den späten 80er Jahren, noch ohne Wegfahrsperre. Die Stoßstange sah solide aus. Könnte vermutlich eine Mülltonne aus dem Weg räumen, ohne dass die Fahrtüchtigkeit des Wagens zu sehr beeinträchtigt würde. Hobbes zog sich zurück an die Mauer eines Nachbargrundstücks und wartete.
Nach einigen Minuten erschien ein großer schwarzer Wagen aus einer Seitenstraße. Es war kein Polizeiwagen. Hobbes konnte sich auch nicht vorstellen, dass es ein Fahrzeug der IS/STA war. Eher eine Limousine reicher Eltern, die ihre Kinder abholen ließen. Der Wagen kam langsam die Straße herunter und hielt dann vor dem Schulhof. Hobbes konnte eine Person hinter dem Steuer ausmachen, dem Stiernacken und der Frisur nach ein Mann. Er war versucht, näher heranzugehen und hineinzuschauen, entschied sich jedoch, im Hintergrund zu bleiben.
Ein zweiter dunkler Wagen fuhr an der Schule vorbei, drehte auf dem Parkplatz eines benachbarten Hauses und stellte sich dann hinter die erste Limousine.
So wurden also junge Damen in ihre behüteten Heime transportiert. Dann würde die Schule wohl jetzt jeden Augenblick aus sein. Aber noch immer kein Zeichen von der IS/STA. Hobbes wunderte sich. Inzwischen hätten sie doch genug Gelegenheit gehabt zu kommen. Er hatte gehofft, sie zu erkennen, bevor er selbst etwas unternahm. Deshalb hatte er sich auch nicht direkt vor den Eingangstüren der Schule postiert, um Sareah abzufangen. Er wollte eingreifen, wenn er wusste, was die Polizisten vorhatten. Erst die Lage genau peilen . . ., sonst konnte eine solche Aktion katastrophal enden. Diese Lektion hatte er schon früh gelernt.
Wieso kamen die nicht? Er sah sich nervös um. Nichts zu sehen.
Mit einem Mal gingen die Flügel der Eingangstür auf, und eine Gruppe junger Frauen kam heraus. Hobbes kniff die Augen zusammen und versuchte, Sareah auszumachen. Die Mädchen liefen gemächlich die breiten Treppenstufen herab und verteilten sich dann auf der Straße. Zwei stiegen in eine der Limousinen ein und fuhren ab. Noch immer sah Hobbes nichts Auffälliges. Er löste sich aus dem Schatten der Mauer und schaute sich um. Vielleicht waren die Typen doch zu spät losgefahren, dachte er. Zu schön.
Sareah trat aus dem Schulportal und ging in aller Seelenruhe über den Hof. Nichts geschah. Hobbes konnte es nicht glauben: Hatten diese Typen tatsächlich verpennt? Oder würden sie versuchen, Sareah zu Hause abzupassen? Sie stieg über die kleine Mauer und kam jetzt auf den Bürgersteig. Hobbes vermutete, dass sie zu der Bushaltestelle am Ende der Straße wollte.
Die Limousine setzte sich langsam in Bewegung.
Hobbes begriff, dass er sich geirrt hatte. Die IS/STA war längst da.
Er rannte hinüber zu dem Sportwagen.
Sebastian sprang, so schnell er konnte, nahm vier Stufen auf einmal, brauchte nur drei Schritte für jeden Absatz. Dann rutschte er mit der Hand vom glatten Metall des Geländes und krachte gegen die Betonwand. Er spürte nicht, dass ihm Blut von der Augenbraue lief. Er rannte, rannte, rannte weiter, immer tiefer und tiefer. Aber irgendwo da unten würde die Treppe zu Ende sein, und er würde wieder vor einer Tür stehen, die schwer aufging, und dann würde er im Zentrum stehen, und von dort gab es nur noch einen Weg hinaus:
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