Furor
aufrichtete, flackerte das Licht und verlosch. Vorsichtig tastete sich Sareah in der Finsternis weiter. Als sie gegen eine Wand stieß, wurde ihr klar, dass sie die Orientierung verloren hatte. Nach einer Weile, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, erreichte sie schließlich das Ende des Ganges, drückte mit der linken Hand eine Klinke, in der Rechten hielt sie die Pistole. Als sie die Tür öffnete, wehte ihr heiße Luft ins Gesicht und nahm ihr den Atem. Direkt gegenüber trat im gleichen Augenblick jemand durch eine zweite Tür. Sie erkannte einen Mann, der seltsam gebückt in einem kleinen Raum stand, so als könne er sich nur unterSchmerzen aufrecht halten. Er zielte mit einer Waffe auf jemanden am Boden. Sebastian! Sareahs Gegenüber schien durch ihr plötzliches Erscheinen überrascht, reagierte aber schnell. Er riss die Waffe hoch und hob sie vor ein entsetzlich entstelltes Gesicht. Sareahs Reflexe übernahmen die Kontrolle über ihren Körper. Blitzschnell, ohne nachzudenken, hatte sie ihre Waffe im Anschlag und drückte ab.
Der Kopf ihres Gegenübers wurde nach hinten gerissen, für einen Sekundenbruchteil von einem fächerförmigen Strahlenkranz umhüllt. Der Mann taumelte zurück bis zur Tür, seine Beine knickten unter ihm weg, und er sackte zusammen, die Arme halb erhoben, in einer hilflosen, abwehrenden Geste.
Der Mann kippte zur Seite und schlug hart auf. Schockiert starrte Sareah auf den Menschen, dessen Leben sie ausgelöscht hatte. Die Pistole fiel ihr aus der Hand. Nach einigen Sekunden gewann sie ihre Fassung zurück. Was war mit Sebastian?
Sebastian spürte einen Luftzug. Das grelle Licht war plötzlich gedämpft. Er öffnete vorsichtig die Augen. Vor ihm lag ein seltsam verrenkter Körper. Die Lichtstrahlen der Lampe dahinter zeichneten einen scharfen, gezackten Grat vor ihm in den Raum: die Silhouette eines Menschen. Barth.
Seltsam, dachte Sebastian. Seltsam. Dann spürte er, wie jemand an seinem T-Shirt zerrte. Langsam wälzte er sich auf den Rücken. Im Halbdunkel sah er eine Gestalt, die sich über ihn beugte. Langes Haar fiel von ihren Schultern und kitzelte sein Gesicht. Ein Engel, dachte Sebastian. Die Kirche hat Recht.
Er versuchte sich zu konzentrieren. Langsam begann sein Gehirn wieder zu arbeiten. Dann erkannte er sie. Plötzlich spürte er die Hitze, die Schmerzen, seine Erschöpfung nicht mehr, plözlich war da nur noch Erleichterung. Er fühlte sich, als würde er in kühles, weiches Wasser eintauchen. Als sie ihnin die Arme nahm und festhielt, stiegen ihm Tränen in die Augen. Er klammerte sich an Sareah, als hinge alles davon ab.
Langsam kehrte auch sein Gehör zurück. Die Sirene drang ihm wieder ins Bewusstsein. Dann sah er Sareahs Gesicht ganz dicht vor seinem. Sie bewegte den Mund, versuchte, ihm etwas zu sagen.
». . . weg. Schnell!«
Was wollte sie?
»Was ist denn los?«, flüsterte er. Aber sie verstand ihn nicht. Ganz dicht vor seinem Ohr wiederholte sie schreiend ihre Worte.
»Sebastian! Wir müssen hier weg. Schnell. Kannst du aufstehen? Dann komm. Komm endlich!«
Sie zog ihn hoch. Mühsam kam er auf die Beine. Alles in ihm schrie danach, einfach liegen zu bleiben. Es war doch alles vorbei. Alles war gut. Sareah bückte sich, nahm die Taschenlampe vom Boden auf. Der Lichtschein erfasste die Pistole am Boden. Die Pistole, die Hobbes ihr gegeben hatte, als er sich auf den Weg gemacht hatte, um die Bullen abzulenken. Vielleicht hatte er Sebastian das Leben gerettet. Aber jetzt mussten sie weg!
Die Intervalle der Sirene wurden kürzer, drängender. Sareah schob Sebastian zur Tür. Als sie über Barths Körper stiegen, sah Sareah, wie dessen Beine zuckten. Seine linke Hand öffnete und schloss sich, als wollte sie von diesem Körper fortkriechen und ihr eigenes Leben retten, wie eine Ratte, die das sinkende Schiff verlässt.
Im Gang schälte der Schein der Lampe den Körper des Pförtners wieder aus der Dunkelheit. Sebastian hatte kaum mitbekommen, was in den letzten Minuten geschehen war. Jetzt erstarrte er beim Anblick der Leiche. Mit Gewalt zog Sareah ihn an dem Toten vorbei auf die Ausgangstür zu. Durch den Gang schallte ein seltsames Summen. Dann zersprang etwas mit einem hellen Klirren, ein lautes Krachen folgte. Die Öfen,dachte Sebastian, und plötzlich war er wieder bei sich. Sie würden alle in die Luft fliegen!
Er fasste Sareah an der Hand und sie rannten, so schnell es ging. Seine Beine zitterten. Dann hatten sie die Tür erreicht und stolperten die
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