Furor
Gehirnwäsche beschäftigte. Dann fingen sie an, neben Elektroschocks auch Drogen wie LSD zu testen. Das war Project ARTECHOKE. Und 1953 wurde dann Project MKULTRA ins Leben gerufen. Und das fasste nun eine ganze Reihe von Versuchen zusammen, unter anderem solche, mit denen die Behörde herausfinden wollte, wie man das Verhalten von Menschen gezielt manipulieren kann: Man begann Menschen so zu verwirren, dass sie sich durch auffälliges Verhalten in der Öffentlichkeit diskreditierten. Man versuchte herauszufinden, ob es mithilfe von Schallwellen möglich wäre, Gehirnerschütterungen zu erzeugen, die zu Gedächtnisverlusten führten, ohne dass nachweisbare Spuren zurückblieben.« Altmann hatte sehr leise gesprochen, so dass Sebastian sich über den Tisch gebeugt hatte, um ihn gut zu hören. Sareah drehte sich eine Zigarette. Sie schien das alles schon einmal gehört zu haben.
»Es sieht so aus, als hätten sich der Leiter von MKULTRA, Sidney Gottlieb, und der damalige CIA-Direktor Richard Helms selbst solchen Tests unterzogen«, fuhr Altmann fort und lachte bitter. »Zumindest konnten sie sich bei einer Befragung durch den US-Senat 1974 kaum noch an das Projekt erinnern. Ein Jahr zuvor hatten sie die Unterlagen zu dem Programm fast vollständig vernichtet, so dass man dem Geheimdienst nichts mehr nachweisen konnte. Und dann kamen die Medien ins Spiel, und ein Journalisten-Traum wurde Wirklichkeit.«Er schaute zu Sareah hinüber, die sich ihre Selbstgedrehte in den Mundwinkel gesteckt hatte und ein paar Tabakkrümel vom Tisch fegte.
Sareah verstand Altmanns Blick als Aufforderung und nahm die Zigarette wieder aus dem Mund: »1977 forderte ein Journalist, John Marks, im Rahmen des so genannten Freedom of Information Act, die Herausgabe aller CIA-Dokumente, die mit den Versuchen, das Verhalten von Menschen zu manipulieren, zu tun hatten. Und es geschah ein Wunder. Einige Kisten mit Unterlagen zur Finanzierung von MKULTRA-Teilprojekten wurden in einer CIA-Abteilung entdeckt, wo sie fälschlicherweise archiviert worden waren. Deshalb hatte man sie 1973 übersehen. Die CIA gab die Dokumente tatsächlich frei – wenn auch stark zensiert. Und jetzt halt dich fest: Es stellte sich heraus, dass etwa 180 Wissenschaftler von mindestens 44 Universitäten und Schulen in den USA an den CIA-Experimenten beteiligt waren. Dazu kommen noch eine Reihe anderer Institutionen, zum Beispiel Pharmaunternehmen. Außerdem wurde in etlichen Kliniken und mindestens drei Gefängnissen für die Behörde geforscht. In mindestens einer Klinik wurde sogar ein ganzer Krankenhausflügel mit CIA-Geldern hochgezogen. Viele der beteiligten Fachleute wussten allerdings gar nicht, dass sie für die CIA arbeiteten und dass ihre Arbeit vom Geheimdienst finanziert wurde.«
Sareah blickte Sebastian in die Augen und zog die Brauen hoch. »Verstehst du? Viele von denen wurden selbst manipuliert. Sie bekamen Geld und durften dafür auf einem Gebiet forschen, das sie grundsätzlich interessierte. Aber die Stoßrichtung hat der Geheimdienst mitbestimmt, der hat die Studien schließlich finanziert.«
»Aber das alles ist doch 40 Jahre her. Was hat das mit mir zu tun?«, fragte Sebastian.
Christof Altmann nickte. »Ja. Es sieht aus, als wäre das allesschon lange vorbei. Der Generalinspektor der CIA hatte die heimlichen Tests an Menschen sogar bereits 1963 als unethisch kritisiert, und die Versuche wurden 1964 eingestellt. Angeblich. Denn in der Behörde ging man damals nachweislich auch davon aus, dass solche Versuche wichtig wären, in der Öffentlichkeit aber nicht bekannt werden dürften. Die Untersuchung des Generalinspektors wurde dann auch erst 1974 bekannt. Wer weiß, wie man wirklich damit umgegangen ist. Und die Unterlagen, die 1977 gefunden wurden, decken lediglich die Jahre 1953 bis 1964 ab. Ich – und viele andere – vermuten, dass die Behörde nicht im Traum daran gedacht hat, von ihren Zielen abzulassen: Menschen mithilfe von Drogen zu manipulieren.«
»Schon gar nicht, wenn sie davon ausgegangen sind, dass die Russen wahrscheinlich keine ethischen Bedenken hatten, solche Forschung zu betreiben«, warf Sareah ein.
»So langsam beginne ich zu begreifen.« Sebastian war sehr nachdenklich. »Sie meinen, dass auch mein Vater an einer solchen Forschungsreihe gearbeitet hat? Er und Dietz und die anderen, als sie 1981 in Südamerika waren? Aber wie passen denn deutsche Forscher in diese Geschichte?«
»Die Projekte der CIA haben nicht nur in den
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