Fußballschule am Meer Bd. 2 - Teufelskick um Mitternacht
erstarrte. Über dreißig Augenpaare blickten ihn an. Eigentlich ein Grund, um knallrot anzulaufen, aber er versuchte cool zu bleiben.
«Bitte», sagte der Schulleiter nachdrücklich. «Ich warte.»
Finn bückte sich langsam, holte den Zettel unter seinem Schuh hervor und ließ ihn schnell in seiner Hosentasche verschwinden.
«Willst du jetzt laut vorlesen oder später leise und allein?», fragte der Schulleiter. Seine Stimme klang erstaunlicherweise immer noch freundlich. Finns alter Rektor hätte schon längst getobt und rumgeschrien.
«Nachher … allein», stammelte Finn.
«Gut», sagte Herr Hinrichsen. «Dann erzähle ich euch jetzt erst noch kurz etwas zur Geschichte unserer Schule, bevor wir hineingehen und uns alles anschauen …»
Finn machte seine Ohren zu. Nicht aus Desinteresse– ein altes Schloss, in dem einmal ein Massenmörder gelebt hat, das war unbedingt interessant! Aber in seinem Kopf war kein Platz mehr, denn seine Gedanken drehten sich bereits um zwei Fragen: Woher wusste der Schulleiter von dem Streit mit den Norderdüner Jungs? Es konnte doch kein Zufall sein, dass Herr Hinrichsen gleich zu Beginn seiner Begrüßung die Friedenspflicht erwähnt hatte! Die Norderdüner Jungs hatten sich ja auch daran gehalten und waren auffallend friedlich gewesen.
Die zweite Frage, die in Finns Kopf rotierte, lautete: Was stand auf dem Zettel in seiner Hosentasche? Was hatte Metin ihm mitzuteilen? War es eine Drohung? Oder ein Friedensangebot? Und warum hatte ausgerechnet er diesen Zettel bekommen? Oder war das nur ein Zufall gewesen, weil er dort gestanden hatte, wo die Norderdüner Jungs entlanggegangen sind? Im Grunde musste es so sein, denn bei dem Streit am Samstag auf dem kleinen Fußballplatz am Strand hatte Finn sich ziemlich zurückgehalten. Was natürlich nicht bedeutete, dass er nichts damit zu tun haben wollte. Sie hatten die Norderdüner Jungs gemeinsam beleidigt, also mussten sie auch gemeinsam deren Rache ertragen!
Vielleicht hatte der Zettel aber auch gar nichts mit dem Streit am Samstag zu tun! Vielleicht ging es um etwas ganz anderes. Vielleicht um … Brit!?
Was war während der Sommerferien zwischen ihr und Metin gewesen? Was war jetzt zwischen ihnen?Und warum hatte Brit im Sommer ihm, Finn, so deutlich zu verstehen gegeben, dass sie ihn mochte? Mochte sie ihn immer noch? Und wenn ja, wen von beiden mochte sie lieber?
Fragen über Fragen. Finn verlor sich in seiner Gedankenwelt und tauchte erst wieder daraus hervor, als er plötzlich von weit her das Wort «Leiche» hörte.
«Was?», fragte er irritiert. «Wo ist hier ’ne Leiche?»
«Nirgendwo», flüsterte Luca ihm zu. «Herr Hinrichsen hat gerade erzählt, dass es in dem Schloss früher im Keller eine Folterkammer gegeben hat. Und dass manchmal die Gefangenen zu Tode gefoltert wurden. Total spannend!»
«Folterkammer? Im Keller?» Finn schluckte und musste an den Albtraum der vergangenen Nacht denken. Vielleicht hatte Metins Botschaft ja doch nichts mit Brit zu tun, sondern war der Versuch, ihn in eine Falle zu locken!
Es juckte Finn in der Hand. Am liebsten würde er den Brief sofort hervorholen und lesen. Aber er traute sich nicht. Der Schulleiter schien seine Augen überall zu haben, und noch konnte Finn ihn nicht einschätzen. Auf den ersten Blick schien er ja ganz nett zu sein, aber das konnte täuschen. Finn wollte nichts riskieren und ließ deshalb die Nachricht von Metin lieber dort, wo sie war.
«So, das war ein kleiner Ausflug in die Vergangenheit. Wer mehr wissen möchte, ist herzlich in unser Heimatmuseumeingeladen, das in unmittelbarer Nähe unserer Schule liegt. Dort ist auch die bereits erwähnte Folterkammer zu besichtigen!» Herr Hinrichsen deutete auf den klotzigen Bau gegenüber den ehemaligen Stallungen. «Und jetzt kommt bitte mit, ich möchte euch die Schule von innen zeigen und euch eure Lehrerinnen und Lehrer vorstellen.»
Das Innere der Schule war eine Überraschung. Die Wände waren bunt bemalt. Überall waren Fenster, die das Tageslicht hereinließen, und alle Türen waren aus Glas, sodass man in jeden Raum ungehindert hineinsehen konnte. Im Empfangsbereich gab es eine gemütliche Sitzecke, überall standen echte Grünpflanzen, in jedem Klassenzimmer gab es gleich mehrere neu aussehende Computer mit Flachbildschirmen, eine Entspannungsecke mit Matratzen, Kissen und Decken sowie eine kleine Klassenbücherei. Jeder Unterrichtsraum war hochmodern eingerichtet, ohne dabei kalt zu wirken.
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