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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic
Autoren: William Gibson
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»schicken« hier nicht das richtige Wort ist –, aber wohin, und an wen?
    Libia und Paco ziehen ihn dahin, wo das Ding wächst, und er sieht, dass es sich verändert hat. Er fragt sich, ob Harwood es sich in letzter Zeit angesehen hat; die Konturen einer neuen Welt, sofern man überhaupt von einer Welt behaupten kann, sie sei neu.
    Und er fragt sich, ob er je die Gelegenheit haben wird, mit Harwood zu sprechen. Er bezweifelt es.
    Zu manchen Dingen kommt es nie, ruft er sich in Erinnerung.
    Zu einem aber immer, sagt die leise, kleine Stimme der Sterb-lichkeit.
    Leck mich doch, erklärt ihr Laney.
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CLEVERE JUNGE DINGER
    ontaine sollte sich später daran erinnern, dass er nicht an Fseine Smith & Wesson gedacht hatte, als er aufwachte und das Geräusch an seiner Tür hörte, sondern an die russische Chain Gun, die er rund vier Monate zuvor unter Gips und Gaze wegge-spachtelt hatte – aus den Augen, aus dem Sinn.
    Und er sollte sich fragen, wieso seine Gedanken ausgerechnet zu diesem extrem hässlichen Ding gewandert waren, als das drängende Tickern am Glas der Ladentür an sein Ohr drang.
    »Fontaine!« Ein lautes Flüstern.
    »Lass mich in Frieden«, sagte Fontaine und setzte sich auf. Er rieb sich die Augen und blinzelte zu den Leuchtzeigern eines seelenlosen schwarzen japanischen Quarzweckers hinüber, eines »Geschenks« von Ciarisse, die gern daraufhinwies, dass Fontaine häufig zu spät dran war, besonders mit dem Kindergeld, obwohl er so viele alte Uhren besaß.
    Er hatte ungefähr eine Stunde geschlafen.
    »Fontaine!« Weiblich, ja, aber nicht Ciarisse.
    Fontaine schlüpfte in seine Hose, steckte die Füße in seine kalten, klammen Schuhe und nahm die Kit Gun. »Ich werd behaupten, es war Notwehr«, sagte er mit einem Blick nach hinten, wo sein geheimnisvoller Junge wie ein Wal auf der Campingmatte hingestreckt lag; er schnarchte wieder, aber nur leise.
    Durch den Laden zur Tür, wo er das Gesicht von Skinners Mädchen erkannte. Sie war allerdings ein bisschen ramponiert – ein richtig sattes Veilchen, was sie da hatte –, und sie sah wirklich nervös aus.
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    »Ich bin’s! Chevette!« Sie klopfte mit etwas Metallischem ans Glas.
    »Mach mir nicht das verdammte Fenster kaputt, Mädchen.«
    Wie immer, wenn er an die Tür ging, hielt Fontaine die Schusswaffe an der Seite, so dass sie außer Sicht blieb, und jetzt sah er, dass Chevette nicht allein war; zwei Weiße hinter ihr, der eine ein stämmiger Mensch mit braunen Haaren, der wie ein Cop aussah, und der andere erinnerte ihn an einen Musikprofessor, den er vor Jahrzehnten in Cleveland gekannt hatte. Beim Anblick des Letz-teren begannen Fontaine die Nackenhaare zu kribbeln, obwohl er nicht genau hätte sagen können, warum. Ganz reglos stand der da.
    »Chevette«, sagte er, »ich schlafe .«
    »Wir brauchen Hilfe.«
    »Wer ist wir?«
    »Das ist Rydell«, sagte sie. »Erinnerst du dich?«
    Und Fontaine erinnerte sich, wenn auch nur undeutlich; der Mann, mit dem sie nach Los Angeles gegangen war. »Und?«
    Sie setzte zum Sprechen an, machte ein verwirrtes Gesicht und schaute sich um.
    »Ein Freund«, sagte der namens Rydell nicht gerade überzeu-gend. Er hielt einen billig aussehenden Matchbeutel an sich ge-drückt, in dem offenbar eine große Thermoskanne oder vielleicht auch einer dieser tragbaren Reiskocher steckte. (Fontaine hoffte, dies würde keine jener erbärmlichen Szenen werden, bei denen man ihn mit einem Pfandleiher verwechselte.) »Lass uns rein, Fontaine. Wir sind in Schwierigkeiten.«
    Du bringst mich wahrscheinlich in Schwierigkeiten, dachte Fontaine, du mit deinem blauen Auge, woher du’s auch hast. Er machte sich daran, die Tür zu entriegeln, und bemerkte, dass Chevette immer wieder rasche Blicke in beide Richtungen warf, als rechnete sie mit unerwünschter Gesellschaft. Derjenige, der wie ein Cop aussah, dieser Rydell, tat dasselbe. Aber der Professor, bemerkte Fontaine, der beobachtete ihn, Fontaine, und er war froh, dass er die Kit Gun auf Beinhöhe hatte.
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    »Schließ ab«, sagte Chevette, als sie eintrat, gefolgt von Rydell und dem Professor.
    »Ich weiß nicht recht«, sagte Fontaine. »Könnte doch sein, dass ich euch was zeigen will.«
    »Was zeigen?«
    »Ja. Den Weg nach draußen. Durch die Tür. Kapiert? Ich hab geschlafen.«
    »Fontaine, da sind Männer auf der Brücke, die haben Kano-nen.«
    »Ja, wohl wahr«, sagte Fontaine und strich mit dem Daumen über die Riffelung auf dem Schlagbolzen des kleinen
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