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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic
Autoren: William Gibson
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Selbstladers.
    Der Professor schloss die Tür.
    »He«, protestierte Fontaine.
    »Gibt es noch einen zweiten Ausgang?«, fragte der Professor mit einem prüfenden Blick auf die Schlösser.
    »Nein«, sagte Fontaine.
    Der Mann schaute durch den Laden nach hinten, zur Rückwand hinter den hochstehenden Zehen von Fontaines Gast. »Und jenseits dieser Wand geht es nur steil nach unten?«
    »Ganz recht.« Fontaine gefiel es irgendwie nicht, wie leicht der Mann diese Informationen aus ihm raus geholt hatte.
    »Und oben? Wohnt hier drüber noch jemand?« Der Mann schaute zur angestrichenen Sperrholzdecke des Ladens hinauf.
    »Weiß ich nicht«, gab Fontaine zu. »Wenn ja, dann sind sie sehr leise. Hab noch nie was von denen gehört.«
    Dieser Rydell, der schien Probleme mit dem Laufen zu haben.
    Er schaffte es bis zum Tresen und stellte seinen Matchbeutel auf die Glasplatte.
    »Hör mal, mach mir nicht meine Auslage kaputt, ja?«
    Rydell drehte sich um, die Hand an die Seite gedrückt. »Haben Sie Klebeband da? Ein breites?«
    Fontaine hatte zwar einen Erste-Hilfe-Kasten, aber da war nie das drin, was man brauchte: ein paar bröckelnde Wundkompres-sen etwa aus dem Jahr 1978 und ein komplizierter, dicker Augen-297
    verband mit einer Gebrauchsanweisung in einer Sprache, die wie Finnisch aussah. »Ich hab Gaffer-Tape«, sagte Fontaine.
    »Was ist das?«
    »Klebeband. Du weißt schon, das silberne. Klebt gut auf der Haut. Willst du das?«
    Rydell schlüpfte mühselig aus seiner schwarzen Nylonjacke und machte sich dann mit einer Hand an den Knöpfen seines zer-knitterten blauen Hemdes zu schaffen. Das Mädchen half ihm, und als sie das Hemd ausgezogen hatten, sah Fontaine das gelb-graue Gesprenkel eines frischen blauen Flecks an seiner Seite.
    Sah übel aus.
    »Unfall gehabt?« Er hatte die Smith & Wesson in die Seitentasche seiner Hose gesteckt. Normalerweise war es nicht sicher, sie dort zu tragen, aber unter den gegebenen Umständen war es ganz praktisch. Der abgenutzte Walnussholzgriff mit Schachbrett-muster ragte gerade so weit heraus, dass er ihn gut greifen konnte, falls es nötig sein sollte. Er holte eine Klebebandrolle aus der obersten Schublade eines alten stählernen Aktenschranks, die ein Geräusch von sich gab, wenn er sie dreißig, vierzig Zentimeter weit herauszog. »Soll ich’s dir dranmachen? Ich hab Boxer in Chicago abgeklebt. Im Ring, weißt du.«
    »Bitte«, sagte Rydell und zuckte zusammen, als er an der lädierten Seite den Arm hob.
    Fontaine riss ein Stück Klebeband ab und musterte Rydells Brustkorb. »Ist ‘n mystisches Band, weißt du das?« Er straffte es zwischen beiden Händen, die dunklere Seite mit der Klebeschicht Rydell zugewandt.
    »Wieso?« fragte Rydell.
    »Weil es ‘ne dunkle Seite hat«, sagte Fontaine und wies darauf, »eine helle«, er zeigte ihm die matt silberne Rückseite, »und das Universum zusammenhält.« Rydell setzte zu einem Schrei an, als der Streifen angelegt wurde, beherrschte sich jedoch. »Atmen«, sagte Fontaine. »Schon mal bei ‘ner Geburt dabei gewesen?«
    »Nein«, brachte Rydell heraus.
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    »Tja«, sagte Fontaine, während er den nächsten, längeren Streifen vorbereitete, »du musst so atmen, wie man’s den Frauen sagt, wenn die Wehen einsetzen. Also: Jetzt ausatmen...«
    Danach ging es ziemlich schnell, und als Fontaine fertig war, sah er, dass Rydell sich das Hemd mit beiden Händen zuknöpfen konnte.
    »Guten Abend«, hörte er den Professor sagen, und als er sich mit der Klebebandrolle in der Hand umdrehte, sah er, dass der Junge wach war, sich aufgesetzt hatte – die braunen Augen groß und leer – und den Mann im graugrünen Mantel anstarrte. »Du siehst gut aus. Ist das dein Zuhause?«
    Etwas bewegte sich hinter den Augen des Jungen; schaute hinaus und zog sich wieder zurück.
    »Ihr beiden kennt euch?« fragte Fontaine.
    »Wir haben uns gestern Nacht kennen gelernt«, sagte der Mann, »hier, auf der Brücke.«
    »Moment mal«, sagte Fontaine. »Hat er eine Armbanduhr von Ihnen gekriegt?«
    Der Mann drehte sich um und musterte Fontaine gelassen, ohne etwas zu sagen.
    Eine Woge von Schuldgefühlen überspülte Fontaine. »Ist schon okay«, sagte er. »Ich bewahr sie nur für ihn auf.«
    »Ich verstehe.«
    »Das ist ‘ne tolle Uhr«, sagte Fontaine. »Wo haben Sie die her?«
    »Aus Singapur.«
    Fontaine schaute von dem glatten, hageren Wolfsgesicht des Mannes, der aller Wahrscheinlichkeit nach kein Musikprofessor war, zu dem ausdruckslosen,
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