Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
Ratons Hals. Raton schwankt auf weichen Knien, und Silencio denkt daran, wie es ist, wenn Raton zu viel Weißes nimmt und dann zu gehen versucht.
    Raton hebt die Hände und drückt sie links und rechts an den Hals. Sein Mund bewegt sich, aber es kommen keine Worte her-43
    aus. Eins von Ratons Schlangenaugen fällt heraus. Das Auge dahinter ist rund und braun.
    Raton sinkt auf die Knie, die Hände noch immer am Hals. Sein Schlangenauge und sein braunes Auge blicken zu dem Mann auf, und Silencio spürt, dass sie ihn aus unterschiedlicher Entfernung anschauen und verschiedene Dinge sehen.
    Dann entringt sich Ratons Kehle ein leiser, weicher Laut, und er fällt – immer noch kniend – hintenüber, so dass er mit weit gespreizten Knien und nach hinten gebogenen Beinen auf dem Rücken zu liegen kommt, und Silencio sieht, wie Ratons graue Hose zwischen den Beinen dunkel wird.
    Silencio sieht den Mann an. Der ihn ansieht.
    Silencio schaut das schwarze Messer an, sieht, wie es in der Hand des Mannes liegt. Ihm ist, als hielte das Messer den Mann.
    Als könnte das Messer die Entscheidung treffen, sich zu bewegen.
    Dann bewegt der Mann das Messer. Dessen Spitze ist fast rechteckig, als wäre die eigentliche Spitze abgebrochen. Es bewegt sich nur ein bisschen. Silencio versteht, was das bedeutet: Er muss hinter der Ecke hervorkommen.
    Er macht einen Schritt zur Seite, so dass der Mann ihn sehen kann.
    Die Spitze bewegt sich erneut. Silencio versteht.
    Näher.
    44

7
WG-HAUS
    enn du ein Haus in Malibu leer stehen lässt, erklärte Tessa W Chevette, kriegst du so Typen rein, die von den Hügeln runterkommen und in deinem Kamin Hunde grillen.
    Man wurde sie nur schwer wieder los, diese Typen, und Schlösser hielten sie auch nicht ab. Deshalb vermieteten die Leute, die früher hier gewohnt hatten – vor der Katastrophe –, ihre Häuser bereitwillig an Studenten.
    Tessa war Australierin und studierte Medienwissenschaften an der University of Southern California. Ihretwegen war Chevette jetzt hier und hütete ein.
    Nun ja, und auch, weil sie, Chevette, sich von Carson getrennt und daher nun keinen Job und kein Geld mehr hatte.
    Tessa sagte, Carson sei der letzte Wichser.
    Da siehst du, wohin dich das alles gebracht hat, dachte Chevette, während sie auf dem Trainer die Illusion einer Schweizer Bergstraße hinaufstrampelte und den Gestank modriger Wäsche von der anderen Seite der Trockenmauer zu ignorieren versuchte.
    Jemand hatte – wahrscheinlich letzten Dienstag, vor dem Brand – eine nasse Füllung in der Maschine gelassen, und die verrottete jetzt da drin.
    Das war schade, weil es ihr deswegen schwer fiel, auf dem Trainer richtig in Schwung zu kommen. Man konnte ihn auf ein Dutzend verschiedene Fahrräder und ebenso viele Terrains konfigurieren, und Chevette mochte dasjenige, das sie gerade eingestellt hatte, ein altmodisches Zehngangrad mit Stahlrahmen, mit dem man diese Bergstraße hinauffahren konnte; Wildblumen ver-45
    schwammen am Rand ihres Sichtfelds. Daneben mochte sie auch noch den Cruiser mit Ballonreifen, mit dem man an einem Strand entlangfuhr, was in Malibu gut war, weil man da nicht am Strand fahren konnte, außer wenn man über rostigen NATO-Draht klettern und über die Biorisiko-Warnungen alle paar Dutzend Meter hinwegsehen wollte.
    Aber dieser Sportsockenschimmelgestank setzte sich immer wieder hinten in ihren Nebenhöhlen fest – keine Spur von Alm-wiesenduft – und erinnerte sie daran, dass sie pleite war und arbeitslos und in einem WG-Haus in Malibu wohnte.
    Das Haus lag direkt am Strand, und der Stacheldrahtzaun ver-lief etwa zehn Meter vor der Terrasse. Niemand wusste genau, was da ausgelaufen war, weil die Regierung sich darüber ausschwieg. Etwas von einem Frachter, sagten manche, andere meinten, es sei ein Frachtzeppelin gewesen, der in einem Sturm runter gekommen sei. Die Regierung hatte immerhin Nanoboter zum Saubermachen eingesetzt; in dem Punkt waren sich alle einig, und deshalb hieß es, dass man da draußen nicht rum laufen sollte.
    Chevette hatte den Trainer an ihrem zweiten Tag hier entdeckt, und sie fuhr darauf zwei-, dreimal tagsüber oder – wie jetzt – spät nachts. Außer ihr gab es offenbar niemanden, der sich für das Ding interessierte oder jemals in diesen kleinen Raum neben dem Waschraum kam, der von der Garage abging, und das war ihr ganz recht. Als sie noch auf der Brücke gewohnt hatte, war sie es gewohnt gewesen, Menschen um sich zu haben, aber dort hatten alle ständig

Weitere Kostenlose Bücher