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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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irgendwas zu tun gehabt. Hier dagegen wohnten lauter Studenten, die an der USC Medienwissenschaften studierten, und die gingen ihr allmählich auf die Nerven. Sie saßen den ganzen Tag rum, beschäftigten sich mit Medien und palaverten drüber, rührten aber ansonsten keinen Finger.
    Sie spürte, wie ihr der Schweiß unter dem Stirnband des Interface-Visiers hindurch und dann seitlich an der Nase herunterlief.
    Sie bekam jetzt ein gutes Tempo drauf; sie merkte, wie Muskeln an ihrem Rücken arbeiteten, die sonst nicht in Aktion traten.
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    Der Trainer bekam den hellgrünen Lack des Bikes besser hin als die Hebel der Gangschaltung, stellte sie fest. Sie sahen irgendwie nach Zeichentrick aus, und die unter ihnen dahinsausende Straße war ein verschwommenes, banales Texture-Map. Die Wolken waren ebenfalls bloß primitives fraktales Allerweltszeug, wenn sie nach oben schaute.
    Keine Frage, sie fühlte sich hier nicht übermäßig wohl, und auch mit ihrem Leben war sie momentan alles andere als zufrieden. Darüber hatte sie nach dem Abendessen mit Tessa gesprochen. Oder vielmehr gestritten.
    Tessa wollte einen Dokumentarfilm machen. Chevette wusste, was ein Dokumentarfilm war, weil Carson bei einem Kanal namens Real One gearbeitet hatte, der nur solche Sachen brachte, und Chevette sie sich zu Tausenden hatte anschauen müssen. Daher wusste sie nun eine ganze Menge über nichts Bestimmtes und nichts Bestimmtes darüber, was sie eigentlich wissen sollte. Zum Beispiel, was sie jetzt tun sollte, nachdem das Leben sie hierher verschlagen hatte.
    Tessa wollte sie nach San Francisco zurückbringen, aber Chevette konnte sich nicht so recht damit anfreunden. Bei dem Dokumentarfilm, den Tessa machen wollte, ging es um interstitielle Gemeinschaften; Tessa sagte, Chevette habe in einer gelebt, denn sie habe auf der Brücke gewohnt. Interstitiell hieß »zwischen den Dingen«, und Chevette fand, dass das schon einen gewissen Sinn ergab. Und es stimmte ja auch, sie vermisste die Brücke, vermisste die Leute, aber sie dachte nicht gern daran. Wegen dem, was geschehen war, seit sie hierher gekommen war, und weil sie den Kontakt zu ihnen nicht aufrechterhalten hatte.
    Einfach bloß strampeln, befahl sie sich, während sie eine illu-sionäre Steigung erklomm. Nochmal schalten. Härter in die Pedale treten. Die Oberfläche der Straße bekam an einigen Stellen ein glasiges Aussehen, weil der Simulator das Bild nicht so schnell auffrischen konnte, wie sie fuhr.
    »Ranzoomen.« Tessas Stimme, en miniature.
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    »Shit«, sagte Chevette. Sie klappte das Visier hoch.
    Der Kameraträger, eine Art heliumgefülltes Kissen aus silbernem Mylar, auf Augenhöhe in der offenen Tür. Ein Kinderspiel-zeug mit kleinen, vergitterten Propellern, das Tessa von ihrem Zimmer aus steuerte. Gespiegelter Lichtring in der Linsenfas-sung, als das Objektiv beim Zoom ausfuhr.
    Die Propeller verschwammen zu Grau, trieben das Ding vorwärts durch die Tür, stoppten; verschwammen wieder zu Grau, als sie sich andersrum drehten. Schaukelnd hing es dort, bis der Ballast der darunter festgebundenen Kamera es stabilisierte.
    »Gottes kleines Spielzeug« nannte Tessa ihren silbernen Ballon.
    Körperloses Auge. Sie ließ ihn auf der Suche nach Bildfragmen-ten langsam durchs Haus kreuzen. Jeder, der hier wohnte, zeichnete fortwährend alle anderen auf, außer Iain, aber der trug einen Motion-Capture-Anzug, schlief sogar darin und hielt dadurch jede seiner Bewegungen fest.
    Der Trainer, ein echtes Hochleistungsgerät, bemerkte Chevettes nachlassende Konzentration und wurde seufzend langsamer, die komplexe Hydraulik begann sich zu dekonfigurieren. Der schmale Keil des Sattels zwischen ihren Schenkeln wurde breiter, spreizte sich zum Gesäßträger im Beach-Bike-Modus. Die Len-kerstangen klappten aus, fuhren hoch und hoben ihre Hände. Sie trat weiter in die Pedale, aber der Trainer bremste sie jetzt ab.
    »Tut mir Leid.« Tessas Stimme aus dem winzigen Lautsprecher.
    Aber Chevette wusste, dass es nicht stimmte.
    »Mir auch«, sagte Chevette, als die Pedale einen letzten Bogen beschrieben und sich arretierten, damit sie absteigen konnte. Sie klappte den Lenker hoch, stieg ab, schlug gegen den Ballon und verdarb Tessa die Aufnahme.
    »Une petite problemette. Betrifft dich, glaube ich.«
    »Was?«
    »Komm in die Küche, dann zeig ich’s dir.« Tessa schaltete einen Propellersatz in den Rückwärts gang und drehte den Kameraträ-
    ger in der Achse. Dann beide auf vorwärts, und er

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