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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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tiefsten Innern auch ein, aber da war auch etwas in ihr, was nur beobachtete und sich nicht zugehörig fühlte. Ein Ich-Bewusstsein, als würde sie selbst so eine Doku machen, wie Tessa sie machen wollte, eine innere Version all der Produkte, die Carson für Real One koordiniert hatte. Als wäre sie zurückgekommen und auch wieder nicht. Als wäre sie in der Zwischenzeit eine andere geworden, ohne es zu merken, und würde sich jetzt selbst hier beobachten.
    Sie fand Tessa vor einem schmalen Geschäft. BAD SECTOR war auf eine Sperrholzfassade gesprüht, die aussah, als wäre sie mit einem Besen silbern angestrichen worden.
    Tessa hatte die halbe Luft aus Gottes kleinem Spielzeug abge-lassen. Es lag auf ihrem Schoß, und sie werkelte an etwas neben dem Teil herum, der die Kamera hielt. »Ballast«, sagte Tessa und blickte auf, »geht immer als Erstes kaputt.«
    »Hier«, Chevette hielt ihr ein Sandwich hin, »solang’s noch warm ist.«
    Tessa klemmte sich den Mylar-Ballon zwischen die Knie und nahm das fettige Papierpaket entgegen.
    »Irgend ‘ne Idee, wo du heute Nacht schläfst?« fragte Chevette, während sie ihr eigenes Sandwich auswickelte.
    »Im Van«, erwiderte Tessa mit vollem Mund. »Wir haben Schlafsäcke und Schaumstoffmatten.«
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    »Aber nicht da, wo er jetzt steht«, erklärte ihr Chevette. »Bisschen kannibalisch, die Gegend.«
    »Wo dann?«
    »Falls die Räder noch dran sind, gibt’s was bei einem der Piers, am unteren Ende der Folsom, wo Leute ihre Wagen stehen haben und schlafen. Die Cops wissen Bescheid, machen aber keinen Stress; ist einfacher für sie, wenn die Leute alle an einem Ort kam-pieren. Aber es kann schwer sein, ‘nen Platz zu kriegen.«
    »Das ist gut«, sagte Tessa zu ihrem Sandwich und wischte sich mit dem Handrücken Fett von den Lippen.
    »Brückenhähnchen. Die züchten sie drüben bei Oakland, füttern sie mit Resten und so.« Sie biss in ihr Sandwich. Ein quadratisches, helles Sauerteigbrot, mit Weizenmehl best äubt. Sie kaute und starrte dabei ins Schaufenster dieses »Bad Sector«-Ladens.
    Flache, quadratische Plättchen oder Scheiben aus Plastik in verschiedenen Größen und Farben gaben ihr Rätsel auf, aber dann kapierte sie: Das waren Datendisketten, alte magnetische Medien. Und diese großen, runden, flachen schwarzen Kunst-stoffdinger waren analoge Audiomedien, ein mechanisches System. Man legte eine Nadel in eine spiralförmige Rille und drehte das Ding. Während sie mehr von dem Sandwich abbiss, ging sie an Tessa vorbei, um sich das genauer anzusehen. Da waren Rollen aus dünnem Stahldraht, schartige pinkfarbene Wachszylinder mit verblichenen Papieretiketten, vergilbende transparente Pla-stikspulen mit braunem Viertelzollband...
    Sie schaute über die Auslage weg und sah eine Menge alter Hardware dicht an dicht auf Borden stehen, das meiste aus diesem schmierigen beigefarbenen Kunststoff. Warum hatten die Leute in den ersten zwanzig Computerjahren bloß alles in so was rein gepackt? Alles Digitale aus jenem Jahrhundert war mit ziemlicher Sicherheit in diesem jämmerlichen Einheitsbeige gehalten, außer wenn es dramatischer aussehen sollte, so richtig ultramo-dern, dann nahmen sie Schwarz. Aber meistens war dieser alte 142
    Kram in namenlosen Schattierungen eines fast nicht vorhande-nen, unbestimmbaren Farbtons gestaltet.
    »Das Ding ist hinüber«, seufzte Tessa, die mit ihrem Sandwich fertig war und wieder mit dem Schraubenzieher an Gottes kleinem Spielzeug herumgeprokelt hatte. Jetzt hielt sie Chevette den Schraubenzieher hin. »Bring ihm den zurück, okay?«
    »Wem?«
    »Dem Sumo-Typen da drin.«
    Chevette nahm das winzige Drehwerkzeug und betrat den Bad Sector.
    Hinter dem Tresen stand ein junger Chinese, der aussah, als würde er locker hundert Kilo auf die Waage bringen. Er hatte auch den großen Kürbiskopf der Sumo-Typen, nur dass seiner erst kürzlich rasiert worden war. Unter der Unterlippe prangte ein DJ-Bärtchen. Er trug ein kurzärmeliges, bedrucktes Hemd, große tropische Blumen, und hatte einen konischen Stachel aus blauem Lucite im linken Ohrläppchen. Er stand vor einer Wand voller eselsohriger Poster, die für ausgestorbene Spieleplattformen war-ben.
    »Das ist dein Schraubenzieher, stimmt’s?«
    »Hat sie’s hingekriegt?« Er machte keine Anstalten, ihn zu nehmen.
    »Glaub nicht«, sagte Chevette, »aber ich glaube, sie hat raus gekriegt, wo das Problem liegt.« Sie hörte ein leises, schnelles Klicken. Senkte den Blick und sah einen

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